Robert Misik: "Kaputtalismus"

Für eine Ökonomie des Miteinanders

Eine Frau sitzt an ihrem Schreibtisch in der Frankfurter Börse und stützt den Kopf mit der Hand ab.
Die Anleger werden nervös: Seit Beginn des Jahres fällt der Dax. © dpa/picture alliance/Frank Rumpenhorst
Robert Misik im Gespräch mit Nana Brink  · 12.02.2016
"Die Maschine ist kaputt und die Eliten haben keinen Plan", fasst der österreichische Publizist Robert Misik die Bilanz seines Buches "Kaputtalismus" zusammen. Die Probleme nach der Finanzkrise seien nur notdürftig gelöst worden. Er plädiert für eine "Miteinander-Ökonomie".
Um einen Crash oder einen chronischen Niedergang zu verhindern, sollte man heute stärker über Alternativen zum kapitalistischen Wirtschaftsmodell nachdenken, sagte der österreichische Publizist Robert Misik im Deutschlandradio Kultur. "Der Kapitalismus als System hat sich als extrem adaptionsfähig, als extrem lebensfähig erwiesen", sagte er. "Aber man muss natürlich die Frage aufwerfen, könnte es nicht sein, dass die Dinge, die vorgestern oder vor 50 Jahren funktioniert haben, heute eben nicht mehr funktionieren aus verschiedensten ökonomischen und auch gesellschaftlichen Gründen?"

Eliten ohne Plan

Nach der Finanzkrise 2008 seien die Probleme nur notdürftig gelöst worden. "Was ja jeder weiß ist, dass die grundlegenden Probleme überhaupt nicht gelöst worden sind", sagte Misik. Sie seien im Finanzcrash deutlich geworden. "Die Maschine ist kaputt und die Eliten haben keinen Plan. Das spüren die Menschen ja auch und das beeinflusst auch die gesellschaftliche Stimmung." Er habe sein Buch "Kaputtalismus" genannt, weil die Probleme noch grundlegender seien, als man sie bislang diskutiert habe.

Das Interview im Wortlaut:

Nana Brink: Wer immer den Dax im Auge hat, der hatte keine schöne Woche. Er fiel nämlich unter die 9000er-Marke und löste damit erhebliche Unruhe aus unter den Anlegern. Die Ursachen sind vielfältig: niedrige Ölpreise, eine schwankende chinesische und eine nicht wirklich prosperierende US-Wirtschaft. Ein guter Zeitpunkt, sich wieder einmal zu fragen, ob das System, in dem wir leben, wirklich noch funktioniert, also das System, das auf Wirtschaftswachstum angelegt ist, auf Weiterentwicklung des kapitalistischen Systems, könnte man ja sagen, durchaus auch mit marktregulierenden Mechanismen. Wir sind ja schon einmal an die Grenzen geraten. Erinnern wir uns an 2008, als die Finanzkrise das System nachhaltig erschüttert hat! Der österreichische Publizist Robert Misik hat gerade ein Buch passend zum Thema herausgebracht, "Kaputtalismus" heißt das. Ich grüße Sie, Herr Misik!
Robert Misik: Ich grüße Sie, guten Tag!
Brink: Immer wieder wird ja das Jahr 2008 als Wendemarke zitiert, als Weckruf. Was ist denn danach passiert?
Misik: Na ja, danach hat man versucht, hektisch, aber ziemlich planlos die Dinge einigermaßen noch zusammenzuschrauben wie so einen alten Schuppen, wo man irgendwie die Holzplatten noch schnell zusammennagelt und der steht dann schief in der Gegend herum. Aber was ja jeder weiß, ist, dass die grundlegenden Probleme überhaupt nicht gelöst worden sind, die grundlegenden Probleme, die in der Krise, in diesem Finanz-Crash erst deutlich geworden sind. Und man kann das so zusammenfassen: Die Maschine ist kaputt und die Eliten haben keinen Plan, und das spüren die Menschen ja auch und das beeinflusst auch die gesellschaftliche Stimmung, den Stress und den Verdruss und diese Sorgen, die wir überall spüren.
Brink: Damit wir alle wissen, wovon wir reden: Wie würden Sie denn die grundlegenden Defizite benennen?
Misik: Na, die grundlegenden Defizite – und deswegen habe ich das Buch auch so genannt, "Kaputtalismus" –, die sind vielleicht noch grundlegender, als es sozusagen in den letzten Jahren diskutiert worden ist. Weil, auf der einen Seite gibt es, nehmen wir mal die neoklassischen, die wirtschaftsliberalen Ökonomen, und dann gibt es eben so die keynesianischen Ökonomen, die sagen, man müsste nur mit einer falschen Wirtschaftspolitik aufräumen, die aufgeben und dann könnte man dieses System schon wieder stabilisieren.
Und ich frage mich, ob das überhaupt noch möglich ist angesichts von so Krisenindizien wie niedriges Wachstum, in Wirklichkeit ja schon seit 30 Jahren, dadurch eine exorbitant steigende Verschuldung aller Wirtschaftsobjekte, nicht nur der Staaten, sondern auch der Unternehmen und der privaten Haushalte, nur um irgendwie noch ein bisschen Wachstum hinzukriegen. Wir haben eine extreme Ungleichheitsverteilung, eine Aufblähung auch der Finanzmärkte deswegen und auch so etwas wie eine Innovationsschwäche mittlerweile. Also, das sind eine Reihe von Indizien, die eigentlich uns die Frage stellen: Ist dieses System überhaupt noch stabilisierbar?

Beunruhigende Daten und Studien

Brink: Aber das Interessante ja, all das, was Sie jetzt genannt haben, also Wirtschaftswachstum, darauf beruht ja auch Kapitalismus. Sie sagen also: Das System, ist eigentlich kaputt, müsste eigentlich schon längst tot sein. Ist es aber nicht!
Misik: Na ja, aber es kommt auch darauf an, vielleicht sind wir in so etwas wie ... wie kann man das nennen ... wie in den Fassaden oder einem Potemkinschen Dorf von einer gewissen Ruinenhaftigkeit, in dem wir einen letzten Tanz führen und es fällt uns nur noch nicht so richtig auf. Und ich will ja auch gar keine Untergangsprophezeiung da jetzt machen, sondern ich finde nur einfach, es gibt so viele eindeutige Indizien und auch sozusagen beunruhigende ökonomische Daten und auch beunruhigende ökonomische Studien, dass wir uns zumindest mit dem Gedanken vertraut machen sollten, dass es möglicherweise nicht mehr so weitergeht. Und man muss ja auch sagen: Der Kapitalismus, unser System hat sich als extrem adaptionsfähig und als extrem ...
Brink: Das wollte ich gerade sagen!
Misik: ... lebensfähig erwiesen. Aber man muss natürlich auch die Frage aufwerfen: Könnte es nicht sein, dass die Dinge, die vorgestern oder vor 50 Jahren funktioniert haben, heute eben nicht mehr funktionieren aus verschiedensten ökonomischen und auch gesellschaftlichen Gründen?

Miteinander-Ökonomie als Ausweg

Brink: Wenn wir uns diese ganzen Probleme und Analysen jetzt angucken, wie kommen wir da Ihrer Meinung nach heraus?
Misik: Na ja, zuerst mal müssen wir uns überhaupt mit dem Gedanken anfreunden, was man eigentlich tun muss, wenn sich zeigt, dass diese Maschine nicht mehr wirklich reparierbar ist. Und dann würde man ja gerne auch einen Crash oder einen chronischen Niedergang verhindern. Und ich glaube, die einzige Möglichkeit, da einen sanften Übergang hinzukriegen, ist mit einer Art von gemischter Ökonomie, mit einem starken staatlichen Sektor, der versucht sozusagen, Wohlstand auch zu schaffen und umzuverteilen und für Gerechtigkeit auch zu sorgen und notwendige Dinge bereitzustellen, einem privaten Sektor, wie wir ihn jetzt schon haben, und einem viel, viel stärkeren genossenschaftlichen Sektor, den ich mir so als Miteinander-Ökonomie verschiedener kooperativer Wirtschaftsformen sich vorstellen kann, auch der solidarischen Ökonomie. So circa würde ich das skizzieren ganz kurz.
Brink: Herzlichen Dank! Der österreichische Publizist Robert Misik, gerade ist sein Buch "Kaputtalismus" erschienen. Vielen Dank für das Gespräch, das wir aufgezeichnet haben!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Robert Misik, Kaputtalismus, Aufbau-Verlag, 16,95 Euro.

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