Richard Osman: "Der Donnerstagsmordclub"

Tatort Seniorenresidenz

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Das Cover von Richard Osmans Buch "Der Donnerstagsmordclub" auf orange-weißem Hintergrund.
"Hier geht das Leben weiter, bis es am Ende angekommen ist": Richard Osmans Krimi spielt in einem Altersheim für Reiche. © Deutschlandradio / List
Von Kolja Mensing · 25.06.2021
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Ein falscher Pfarrer, ein beunruhigender Knochenfund, ein Mord im Altersheim: "Der Donnerstagsmordclub" von Richard Osman ist "Cosy Crime" in der Tradition von Agatha Christie. Dieser Krimi wurde während der Coronapandemie zum Bestseller.
Cooper Chase ist "Englands erstes Luxus-Resort für Senioren", teuer, aber auch ein bisschen langweilig. Joyce, Ibrahim und Ron treffen sich darum jeden Donnerstag im Puzzlezimmer unter der Leitung von Elizabeth, die früher für eine ominöse staatliche Behörde gearbeitet hat, und beschäftigten sich bei Käsecrackern und Gin Tonic aus der Dose mit ungelösten Kriminalfällen: "sehr gesellig, aber auch blutig", "Cold Cases" statt Kreuzworträtsel.
Es ist ein vergleichsweise harmloses Vergnügen, doch dann wird der "Donnerstagsmordclub" mit einem Mord direkt vor der Haustür beglückt. Nachdem bekannt geworden ist, dass Cooper Chase erweitert werden soll, wird einer der Investoren des millionenschweren Projekts mit einem Schraubenschlüssel erschlagen: der erste echte Fall für die vier abgeklärten True-Crime-Addicts aus dem Altersheim.

Miss Marple gab die Blaupause

"Der Donnerstagsmordclub" ist "Cosy Crime" für Genießer und Genießerinnen. Der Titel verrät es bereits: Die Blaupause stammt aus Agatha Christies erster Miss-Marple-Kurzgeschichte, die 1927 unter dem Titel "The Tuesday Night Club" erschienen ist. Richard Osman, ein angenehm exzentrischer und leicht größenwahnsinniger britischer Fernsehmoderator, hat dem Ganzen vor dem malerischen Hintergrund der Grafschaft Kent jetzt ein Update verpasst.
Zu einer Whatsapp-Gruppe konnten die rüstigen Hobbyermittler von Cooper Chase sich bisher zwar noch nicht durchringen ("Der Funke hat nicht gezündet"), aber sie pflegen die recht lange Liste der Tatverdächtigen säuberlich in eine Excel-Tabelle ein, um dann mit gesundem Menschenverstand nach dem Ausschlussverfahren zu arbeiten: "Allein die Rollatoren eliminieren acht Personen."
Ein weiterer Mord kommt dazu, außerdem – ausgesprochen genreüblich! – ein falscher Priester und ein beunruhigender Knochenfund auf dem Friedhof von Cooper Chase. Gut, dass die einzelnen Angehörigen des Donnerstagsmordclubs eine ganze Menge kriminologisches Hintergrundwissen mitbringen: Die ehemalige Krankenschwester Joyce hat sämtliche Oxford-Krimis auf ITV3 gesehen, der Psychiater im Ruhestand Ibrahim ist Fan von "CSI: Vegas" und Ex-Gewerkschaftsfunktionär Ron hat angeblich "sämtliche Mark Billinghams" gelesen.

Nicht nur charmant und putzig

Scheinbar harmlose ältere Damen und Herren, die deutlicher erfolgreicher im Kampf gegen das Verbrechen sind als die professionellen Ermittler der Strafverfolgungsbehörden, hat es nach Agatha Christie immer wieder gegeben. Dass "Der Donnerstagsmordclub" auf der Krimibestenliste gelandet ist, dürfte allerdings nicht allein daran liegen, dass Robert Osman charmant und augenzwinkernd Traditionspflege betreibt. Die wahre Ironie besteht darin, dass dieser Roman mit seinem Ü-80-Personal im vergangenen Jahr in Großbritannien zum Bestseller avanciert ist.
Auf dem Höhepunkt der Coronapandemie also, in der Senioren wie Elizabeth, Joyce, Ron oder Ibrahim in einen Dauerlockdown geschickt beziehungsweise in Alters- und Pflegeheimen knallhart isoliert und weggesperrt wurden. Alte und ältere Menschen sind nämlich in Büchern wie auch im echten Leben nicht einfach nur putzig, sondern sie haben auch etwas Beunruhigendes – vielleicht, weil sie der letzten Grenze näher sind als wir etwas Jüngeren? Oder wie die Bewohner von Cooper Chase es formulieren würden: "Hier geht das Leben weiter, bis es am Ende angekommen ist."

Richard Osman: "Der Donnerstagsmordclub"
Aus dem Englischen von Sabine Roth
List Verlag, Berlin 2021
464 Seiten, 15,99 Euro

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