Peter Hoeres: "Rechts und links"

Mit Alarmismus und selektiver Quellenarbeit

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Cover von dem Buch "Rechts und links" von Peter Hoeres.
© zuKlampen! Verlag

Peter Hoeres

Rechts und links. Zur Karriere einer folgenreichen Unterscheidung in Geschichte und GegenwartzuKlampen! Verlag, Springe 2025

216 Seiten

24,00 Euro

Von Nils Schniederjann |
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Der Historiker Peter Hoeres will das politische Etikett „rechts" wieder normalisieren. Dafür unternimmt er eine kulturhistorische Reise. Am Ende landet er bei der Behauptung, die Nationalsozialisten seien eigentlich eher links gewesen.
Wer schon immer wissen wollte, wie die Achsen "rechts" und "links" in den indigenen Kulturen der Mapuche Südamerikas oder der indonesischen Ambonese bewertet werden, der kann zum Essay von Peter Hoeres greifen. Rechts, so erfährt man dort, wird in den meisten Kulturen mit männlich, oben, gut, hell und sauber assoziiert, während links für das Böse, Dunkle, Weibliche, Falsche steht. Wer sich fragt, welche Bedeutung das für unsere Gegenwart haben soll, der muss sich mit dem Hinweis zufriedengeben, der Mensch stehe in einem „Kontinuitätsstrom“ seiner Vergangenheit, „in einem Bündel von Myriaden von Traditionen, Prägungen, Erbschaften“.

Intervention in Gegenwartsdebatten

Dass Hoeres mit seiner kulturhistorischen Exkursion nicht bloß vormoderne Prägungen erhellen, sondern in die Debatten der Gegenwart intervenieren will, wird deutlich, wenn er eine Debatte aufnimmt, die innerhalb der Neuen Rechten seit den 1990er-Jahren virulent ist: die Frage, ob Hitler und seine Schergen eigentlich rechts waren.
Hoeres bearbeitet diese Frage in der zweiten Hälfte seines Essays fast ausschließlich mithilfe von Quellen, die das verneinen. Dabei stützt er sich stark auf Rainer Zitelmann, dessen Thesen in der Geschichtswissenschaft mindestens kontrovers diskutiert werden. Die vielen Historiker, die seine Einschätzung nicht teilen, erwähnt Hoeres nicht. Kein Wunder: Der Professor für Neueste Geschichte an der Universität Würzburg will das Etikett "rechts" – das Studenten seiner Universität seinem Lehrstuhl im vergangenen Jahr selbst anzuheften versuchten – wieder normalisieren.

Die "Zerstörung der bürgerlichen Freiheit"

Die selektive Quellenarbeit setzt sich fort, wenn Hoeres rechte Gewalt relativiert. Er betont, dass das BKA in den Jahren 2014 bis 2023 jeweils mehr linke als rechte Gewalttaten registriert habe und kritisiert, dass rechter Gewalt mehr Raum in der öffentlichen Debatte gegeben werde. Doch ist seine Behauptung ohne Kontext irreführend. Denn rechte Straftaten führen deutlich häufiger zu schweren Verbrechen und Todesopfern. So sind 51 Menschen seit 2001 von rechten Gewalttätern getötet worden, von linken hingegen drei Menschen.
Zum Ende seines Essays verfällt Hoeres zunehmend in einen alarmistischen Ton. Der Kampf gegen rechts führe zu einer „Zerstörung der bürgerlichen Freiheit“; demjenigen, dem rechte Positionen vorgeworfen werden, würden „jegliche Menschenrechte zumindest implizit abgesprochen“. Wie durch gesellschaftliche Kritik – selbst wenn sie scharf geäußert wird oder zur sozialen Ächtung führt – jegliche Menschenrechte verletzt werden, erläutert Hoeres leider nicht weiter.

Der Wunsch, unhinterfragt rechts zu sein

Abschließend fordert er, dass die Option, offen und unhinterfragt rechts zu sein, „wieder Eingang in die deskriptive und analytische Normal-Sprache findet“. Der Autor blendet völlig aus, wie normalisiert die Rechte inzwischen wieder ist. Der Essay beginnt mit dem Satz: „Kaum ein Mensch will rechts sein.“ Wer sich einmal mit Funktionären der AfD – und inzwischen auch einem nennenswerten Teil der CDU – unterhalten hat, kann sich nur wundern über diese Blindheit für das, was aller Welt vor Augen steht.
Man kann den staatlich geförderten „Kampf gegen rechts“ durchaus kritisieren. Wer ihn jedoch als bloßes Repressionsmittel sieht und nicht einmal anerkennt, dass von einer erstarkenden rechtsradikalen Partei auch nur der Hauch einer Gefahr ausgehen könnte, der hält zumindest ein Auge bei der Analyse der politischen Verhältnisse fest verschlossen. Daran kann auch die Tatsache, dass die südafrikanischen Zulu linkshändige Kinder mit drakonischen Maßnahmen zum Essen mit der rechten Hand bewegen, nichts ändern.
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