Kate Zambreno: „Der helle Raum“

Nachdenken über den Lockdown

06:25 Minuten
Cover des Buchs "Der helle Raum" von Kate Zambreno.
© Kampa Verlag

Kate Zambreno

Aus dem Englischen von Eva Bonné

Der helle Raum. Überlegungen zu Kunst und KinderbetreuungKampa, Zürich 2025

240 Seiten

25,00 Euro

Von Kais Harrabis |
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Zwischen Kunst, Spielplatz und der niederländischen Tulpenblase: Kate Zambreno spürt den Folgen der Corona-Pandemie in ihrem Dasein als Mutter und Schriftstellerin nach – und holt sich Rat und Trost in Literatur und Kunst.
„Eines Tages wird jemand einen Roman über all das schreiben“, dachten nicht wenige Kritiker und Literaturwissenschaftler. Gemeint ist die Corona-Pandemie, diese gespenstische, prekäre Zeit, in der keiner so recht wusste, wie die Zukunft aussehen wird. Die amerikanische Schriftstellerin und Essayistin Kate Zambreno hat schon damals losgeschrieben. „Der helle Raum“ heißt ihr Buch über diese seltsame Zeit.

Der Corona-Pandemie erzählerisch gewachsen

Ein Roman ist es nicht, sondern ein Essay über die Schwierigkeiten der Sorgearbeit und über Kunst und Literatur als Begleitung. Trotzdem ist Zambreno die erste Autorin, die der Corona-Pandemie erzählerisch gewachsen ist. In kurzen Abschnitten schreibt sie über verschiedene Dinge und Themen – die Lockdowns, wie das Muttersein ihre Freundschaften und ihren Körper verändert; über die Pest und die niederländische Tulpenblase; darüber, dass sie ihrem Mann, der als Bibliothekar arbeitet, die Stabilität seines Jobs neidet und wie schwierig es ist, zwischen allem Zeit zu finden, um zu schreiben und nachzudenken.
Es ist beeindruckend, wie mühelos Zambreno Passagen über Künstler und Schriftsteller wie W.G. Sebald, David Wojnarowicz, Derek Jarman, Italo Calvino oder Natalia Ginzburg mit Gedanken über Montessori-Spielzeug oder Szenen auf dem Spielplatz verwebt.
Eigentlich setzt Kate Zambreno mit „Der helle Raum“ nahtlos da an, wo die zuletzt auf Deutsch übersetzten Bände „Mutter (Ein Gemurmel)“ und „Drifts“ aufgehört haben. Kunst und Künstlerinnen, Schriftsteller und Schriftstellerinnen werden bei Zambreno zu Begleitern durch das Leben, die mit ihrem Schaffen immer wieder Rat geben und vor allem: Trost spenden. Dass man vielleicht den einen oder anderen Lesetipp mitnimmt, ist ein schöner Nebeneffekt.

Brüche, Sprünge, Assoziationen

„Der helle Raum“ ist aber alles andere als das vergeistigte Porträt der seltsamen Corona-Zeit. Zambreno steht mit ihrem Schreiben in der Tradition, die die französische Feministin und Literaturwissenschaftlerin Helene Cixous „ecriture feminine“ genannt hat, ein weibliches Schreiben, das aus Brüchen, Sprüngen, Assoziationen und Querverbindungen besteht.
Brüche kommen immer dann, wenn Zambreno von den körperlichen und psychischen Folgen ihrer Schwangerschaft oder des Lockdowns erzählt. Wenn sie über ihren Körper schreibt, hat das eine ungeheure Wucht und Intensität, die aber überhaupt nicht im Gegensatz zu den Passagen des Nachdenkens steht. Beides fließt ineinander – Schreiben und Denken sind bei Zambreno körperliche Arbeit.
Dass sich „Der helle Raum“ trotz aller Anstrengungen am Ende so leicht, klug und poetisch liest, ist zum einen auch der Verdienst von Übersetzerin Eva Bonné, die Zambrenos präzise Sprache toll ins Deutsche übertragen hat. Vor allem zeigt es aber, dass Kate Zambreno eine fantastische Schriftstellerin ist, die wie keine zweite davon erzählt, was es bedeutet, in der Welt zu sein.
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