Retrospektive in New York

Alice Neel zeigt die Menschen ungeschminkt

06:35 Minuten
Ein Gemälde von Alice Neel: Eine schwangere Frau in einem Bett.
Alice Neel hat sich konsequent den Moden ihrer Zeit verweigert. Das ist der Grund für ihren späten Ruhm, meint Sebastian Moll. © imago / UPI Photo / John Angelillo
Sebastian Moll im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 28.03.2021
Audio herunterladen
Das Metropolitan Museum of Art in New York widmet Alice Neel eine große Ausstellung. Die Künstlerin gilt heute als eine der wichtigsten amerikanischen Porträtmalerinnen des 20. Jahrhunderts. Doch die Anerkennung kam sehr spät.
"Alice Neel hat sich für alle Menschen interessiert. Darin liegt bis zu einem gewissen Grad die Radikalität ihres Werkes", sagt der Kulturjournalist Sebastian Moll. Die Künstlerin gilt als eine der wichtigsten amerikanischen Porträtmalerinnen des 20. Jahrhunderts.
Lange galt sie als Außenseiterin, erst im Alter von 74 Jahren kam die öffentliche Anerkennung. Damals wurde sie als feministische Künstlerin entdeckt. Zehn Jahre später starb sie. Nun widmet ihr das Metropolitan Museum of Art in New York eine große Ausstellung mit dem Titel "People Come First".

Alle werden gleich behandelt

Alice Neel hat Kinder auf den Straßen von Manhattan genauso gemalt wie Nachbarn, Freunde und Bekannte in ihrer Wohnung, aber auch bedeutende Intellektuelle und Künstler wie Andy Warhol und Allen Ginsberg. Doch auch diese Berühmtheiten "ordnet sie in die Porträts einfacher unbekannter Leute ein", erklärt Moll. Alice Neel demokratisiere alle ihre Subjekte und stelle sie auf eine Stufe. "Darin liegt ihre Provokation."

Dennoch nehmen die Porträts von Berühmtheiten einen großen Raum ein. Besonders sticht dabei das von Andy Warhol hervor. Es zeigt ihn "sozusagen nackt und ungeschminkt, wie er nie gezeigt worden ist": Zu sehen ist er mit freiem Oberkörper. Deutlich sind die Narben von den Schusswunden zu erkennen, die ihm von Valerie Solanas im Juni 1968 zugefügt worden waren – ein starkes, ein intimes Bild.
Blick in die Ausstellung: Eine Frau steht neben einem Gemälde von Alice Neel. Darauf zu sehen ist ein Junge auf einem Schaukelpferd.
"In der Politik und im Leben war ich immer für die Verlierer, die Underdogs", hat Alice Neel einmal gesagt.© imago / UPI Photo / John Angelillo
Blick in die Ausstellung. Eine Frau steht neben dem Gemälde "Pregnant Maria" von Alice Neel.
"Den Geruch von Erfolg mochte ich nie. Das implizierte nämlich immer eine gewisse Art von Konformität", so Alice Neel.© imago / UPI Photo / John Angelillo
"Die große Mehrheit ihrer Porträts ist in ihrem Wohnzimmer entstanden – in einer sehr privaten Atmosphäre. Und das zeichnet auch die Bilder aus. Man merkt, das ist ein ganz intensives Verhältnis, das zwischen ihr und ihren Subjekten entstanden ist – ein ganz intimes. Sie hat sie teilweise in verschiedenen Stadien der Angezogenheit oder auch viel als Akte gemalt, also sehr privat. Und sie ist ihren Subjekten dadurch sehr, sehr nahegekommen."
(ckr)

Die Retrospektive "People come first" mit mehr als hundert Werken von Alice Neel ist bis Anfang August im Metropolitan Museum in New York zu sehen.

Mehr zum Thema