Retrogames

Hacker helfen bei der Spielarchivierung

Retrogames auf der Gamescom 2014 in Köln.
Retrogames auf der Gamescom 2014 in Köln. © imago/Manngold
Von Marcus Richter · 22.01.2015
Die Website archive.org ist ein Paradies für Spielenostalgiker, denn sie stellt Computerspielklassiker der letzten 30 Jahre bereit. Zugleich erfüllt sie den Zweck, Computerspiele als Kulturgut zu bewahren. Das ging teilweise nur mit der Hilfe von Hackern.
"Might & Magic III - Isles of Terra" erschien im Jahre 1991, also vor 24 Jahren. Jetzt wurde es neu veröffentlicht, auf der Webseite archive.org. Aber wer es spielen wollte, stand schnell vor einem Problem: Dem Kopierschutz.
Der Spieler muss zu Beginn ein Codewort im Handbuch nachschlagen und eingeben, um überhaupt erst anfangen zu können. Das Internet hilft zwar, das Handbuch ist nur einen Google-Treffer weit entfernt. Aber die Frage bleibt: Hätte man den Kopierschutz nicht ganz entfernen können?
Andreas Lange, Chef des Computerspielemuseums in Berlin, findet: Der Kopierschutz gehört zum authentischen Erlebnis dazu.
"Ich halte das schon für einen wichtigen Bestandteil des Spiels, der einfach Aufschluss gibt, zukünftigen Generationen, was das bedeutete, in den 1980ern, 1990ern Computerspiele zu spielen."
Ein archiviertes Computerspiel besteht deswegen idealerweise nicht nur aus der Software, sondern auch der dazugehörigen Dokumentation und etwaigen besonderen Eingabegeräten. Software, deren Kopierschutz entfernt wurde, hat - aus Archivarsperspektive zumindest - auch einen weiteren entscheidenden Nachteil:
"Das sind sogenannte gecrackte Spiele und hier ist tatsächlich auch der Spielcode verändert und das entspricht nicht unseren Vorstellungen, wie Spiele bewahrt werden sollen, denn wir haben bei einem gecrackten Spiel nie die Sicherheit, dass es nicht bei Level 30 oder so dann doch crasht, weil eben nicht nur der Kopierschutz, sondern auch andere Elemente des Spiels dabei beschädigt worden sind."
"Selbstmordbatterie" verhindert Archivierung
In einer perfekten Welt würden also alle Computerspiele im Originalzustand erhalten. Es gibt aber Fälle, in denen das nicht so einfach ist. Der Kopierschutz ist hier zwar für die Spieler nicht sichtbar, aber verhindert durch technische Kniffe die Vervielfältigung - und damit eben auch langfristige Archivierung.
Der Informatiker Ange Albertini kennt ein besonders hartnäckiges Beispiel aus dem Bereich sogenannter Arcadegames, die auf spezieller Hardware ausgeliefert wurden:
"Protection Data was actually not stored on the ROM, but on the RAM so the RAM is battery-powered, so as soon as you remove the battery the content of the memory is lost and the game ist lost - even if you paid for it."
"Die Kopierschutzdaten waren nicht im ROM sondern im Batteriegespeisten RAM gespeichert. Sobald die Batterie entfernt wird, geht der Speicherinhalt verloren und damit geht das ganze Spiel verloren – selbst wenn du dafür bezahlt hast."
"Selbstmordbatterie" nennt der Experte diese Bauteile: Das Spiel startet ohne den Kopierschutz gar nicht mehr, es stirbt also, wenn die Batterie alle ist oder wenn jemand versucht, sie zu manipulieren. Der einzige Ausweg: Findige Hacker wie Ange Albertini, die das System umgehen. Dessen Motto ist dann folgerichtig: Hacking is preserving. Sinngemäß: Den Kopierschutz kaputt machen, bedeutet Erhaltung.
"You have to deal with the protection to enable them to be played on a different hardware under different conditions and for that the only way is to defeat protection so hacking them is the only way to preserve them."
"Man muss den Kopierschutz entfernen, damit die Spiele auf anderer Hardware, unter anderen Umständen gespielt werden können. Hacken ist also der einzige Weg, die Spiele zu erhalten."
Grundsätzliche Spielerfahrung wichtiger als Original erhalten
Das Interesse an alten Spielen bleibt ungebrochen. Nicht nur aus historischer Perspektive: Klassiker werden immer wieder neu aufgelegt und verkauft. Aktuelles Beispiel: Das Flugzeug-Action-Spiel "3D After-Burner II" für die tragbare Nintendo Konsole 3DS. Die Software soll sogar die mechanischen Geräusche der unterschiedlichen Gehäusevarianten des damaligen Automaten emulieren.
Und obwohl der Unterschied zwischen dem historischen Automaten in der Spielhalle und dem heutigen Plastikkästchen nicht größer sein könnte, ist diese Umsetzung für Andreas Lange vom Computerspielemuseum eine annehmbare Form der Archivierung:
"Das ist ein wesentliches Merkmal von digitaler Kultur, dass sie eben auch in gewisser Art und Weise keine feste Verkörperung hat, wo man sagen kann, dass es nur ein originales Setup gab, in dem man das Spiel spielen konnte."
Dass die grundsätzliche Spielerfahrung bewahrt wird, ist dann also doch wichtiger, als das reine Original zu erhalten. Umsetzung und Kopierschutz sind allerdings nur zwei Beispiele für die Schwierigkeiten der Archivierung und öffentlichen Zugänglichmachung von Computerspielen. Das eingangs erwähnte "Might & Magic III" musste zum Beispiel inzwischen von archive.org gelöscht werden - aus Urheberrechtsgründen, da eine andere Webseite mit dem Verkauf des Spiels noch Geld verdient.
Mehr zum Thema