Restauration von Büchern

Bücher retten mit dem dünnsten Papier der Welt

Alte Bücher auf einem Tisch
Alte Bücher haben oft ein bestimmtes Aroma, findet die Restauratorin Katharina Wewerke. © Unsplash/Chris Lawton
Von Anne Kohlick  · 18.10.2017
Das dünnste Papier der Welt kommt aus Japan und ist ein wichtiger Werkstoff für die Restauration alter Bücher. Ein Werkstattbesuch bei einer Restauratorin in der Staatsbibliothek zu Berlin, die Papier am Geruch und Klang erkennen kann.
"Ich bin unterwegs zur Staatsbibliothek in Berlin Unter den Linden. Da habe ich mich mit der Buch-Restauratorin Katharina Wewerke verabredet, um herauszufinden, wie hauchdünnes Papier aus Japan historische Bücher und Manuskripte rettet."
Katharina Wewerke arbeitet schon seit mehr als zwanzig Jahren für die Staatsbibliothek zu Berlin. Sie bringt mich dorthin, wo Besucher normalerweise keinen Zutritt haben.
"Wir sind eine Werkstatt mit 12 Kolleginnen, plus unsere Leiterin - also zusammen 13."

Der Geruch von Pergament

Katharina Wewerkes Arbeitsplatz ist ein großer Tisch, daneben ein Regal voller Pinsel, Kleistertuben, kleiner Skalpelle, Spatel und Fläschchen mit gereinigtem Wasser. Irgendwas liegt hier in der Luft.
"Also es gibt einen typischen, charakteristischen Geruch von alten Büchern. Das merken Sie dann besonders im Magazin. Hier - ich finde, es verteilt sich so ein bisschen. Aber je nach Objekt: Wenn Sie zum Beispiel Pergamentobjekte haben, dann riechen Sie oft die Ziege."
"Also Bücher haben auch ein Aroma - besonders alte Bücher?"
"Ja, auf jeden Fall."

Der Patient: Eine Gedichtsammlung aus dem 17. Jahrhundert

Auf Katharina Wewerkes Tisch liegt ein Buch mit vergilbten Seiten: eine handgeschriebene Gedichtsammlung aus dem 17. Jahrhundert. Der Text in persischer Schrift ist mit Schmuckbändern umgeben. Farbige Miniaturen zeigen Männer mit Turban beim Musizieren. Dieser Schatz der Orient-Abteilung der Staatsbibliothek wurde inzwischen digitalisiert. Als Restauratorin begutachtete Katharina Wewerke, unter welchen Voraussetzungen das Buch gescannt werden konnte.
"Da wurde festgestellt, dass diese Handschrift so ungünstig gebunden war - durch eine Neubindung Anfang des 20. Jahrhunderts - dass man sie kaum öffnen konnte. Und diese Spannung, die beim Öffnen durch diese enge Bindung entstanden ist, dazu führte, dass Schäden sich immer weiter fortgesetzt haben - hier in diesen Schmuckrahmen."

Papier aus Japan

Da, wo es möglich war, hat Katharina Wewerke Fehlstellen in den Buchseiten ergänzt. Dafür arbeitet sie mit Japan-Papier.
"Ich hab gelernt, dass Japan-Papier, das angeblich dünnste Papier der Welt ist und dass es für Buch-Restauratoren wie Sie ein großer Schatz ist. Warum ist das so? Was ist das Besondere daran?
"Japan-Papier zeichnet sich durch sehr lange feine Fasern aus."


Wie erzielt man eigentlich diese besondere Qualität? Wie wird japanisches Papier hergestellt? Jürgen Hanefeld hat es für uns vor Ort in Erfahrung gebracht. Hier können Sie seinen Beitrag lesen (und hören).

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© Jürgen Hanefeld
Weil Japan-Papier ohne künstliche Zusatzstoffe hergestellt wird, eignet es sich dafür, fragiles historisches Papier wieder stabiler zu machen.
"Es muss nicht immer das dünnste sein. Wir haben in unserer Werkstatt verschiedenste Arten von Japan-Papier in unterschiedlichen Grammaturen: von ungefähr - das sehen Sie hier, man hört es kaum - 3 1/2 Gramm pro Quadratmeter - wie ein ganz feines Netz - bis hin zu dickeren. Da hört man schon ein bisschen mehr. Das hat ungefähr 22 Gramm pro Quadratmeter."

Der Klang von Papier

Die Restauratorin hat ein feines Ohr für den Klang von Papier.
"Könnten Sie denn unterschiedliche Papierarten tatsächlich am Klang erkennen, wenn wir die Ihnen vorspielen würden?"
"Die exakten Feinheiten vermutlich nicht, aber erkennen, ob es sich um ein stark geleimtes Papier handelt mit vielen Füllstoffen oder um ein sehr weiches Papier - das können wir."
Katharina Wewerke zeigt mir eine preußische Chronik aus dem 16. Jahrhundert, die auf einem anderen Tisch liegt.
"Schöner Klang, schönes altes handgeschöptes Hadernpapier."

Hören Sie auch unser Gespräch mit Ulrich Schneider von der Universität Leipzig. Er leitet dort die Uni-Bibliothek und ist Experte für Papier und Restaurationstechniken. Wir sprachen mit ihm darüber, wie Bibliotheken alte Bücher erhalten.
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Ulrich Schneider, Direktor der Universitätsbibliothek Leipzig.
© Deutschlandradio - Maurice Wojach
Der Buchstock an sich sei noch in Ordnung, sagt die Restauratorin. Aber ein Stammbaum, der als Faltblatt in die Chronik eingebaut ist, macht ihr Sorgen.
" Bei dieser Falttafel gab es Einrisse, die in Gefahr standen, sich noch zu vergrößern. Und hier sehen Sie: Da habe ich an einigen Stellen ganz dünnes Japan-Papier aufgetragen."
"Das sieht man kaum. Das sieht fast aus, als wär da noch ein Loch. Aber wenn man genau hinschaut, ist da kein Loch mehr."
" Genau. So soll es sein. Es soll sich optisch einfügen - nicht unsichtbar, aber nach Möglichkeit nicht so auffällig - gleichzeitig genug Festigkeit bieten, um eine Stabilisierung zu garantieren."

2 Gramm pro Quadratmeter

Katharina Wewerke führt mich zu einer Wand mit einem großen Regal und vielen Schubkästen.
"Also hier sehen Sie unser großes Materialregal mit verschiedenen Dingen, die wir benötigen: hier auch Leder und Pergament, Gewebe. Und hier ist unser Japan-Papier."
"Was ist das leichteste Papier, das Sie hier haben? Jetzt sehen wir gerade 9 Gramm pro Quadratmeter. Das ist schon ziemlich hauchdünn, oder?"
"Das ist schon recht dünn. Wir haben aber noch dünneres, mit dem wir viel arbeiten - das hat 3,5 Gramm pro Quadratmeter. Und dann gibt es noch ein ganz, ganz, ganz, ganz dünnes. Das liegt hier oben."
"Wie dünn wird's denn?"
"Das sogenannte Gothamer Tissue. Das hat 2 Gramm pro Quadratmeter."
Dass Papier so hauchdünn sein kann und trotzdem so beständig und flexibel - das ist es, was Katharina Wewerke an diesem Material fasziniert.
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