Restaurantsterben in Portugal
Der Portugiese geht eigentlich gerne auswärts mittagessen - unter der Woche, aber auch mit der Familie am Sonntag oder Feiertag. Doch viele können sich das wegen der Wirtschaftskrise nicht mehr leisten. Nun wird es noch teurer: Die Regierung hat die Mehrwertsteuer von 13 auf 23 Prozent angehoben.
Eine Sackgasse in der Lissabonner Altstadt. Kleine Restaurants reihen sich dicht an dicht. "Super Mário" heißt eines, "Parreirinha do Duque" ein anderes. Wer den beschwerlichen Weg den Hügel hinauf geht, ist auf der Suche nach preiswerter, guter portugiesischer Hausmannskost.
Laurinda Teixeira steht in ihrer sechs Quadratmeter großen, fensterlosen Küche und rührt mit einem Holzstab in einem riesigen Bohneneintopf. Feijoada. Da ist alles drinnen, was man vom Schwein abschneiden kann. Maul, Haxen, Ohren:
"Das ist nicht so viel. Das sind drei Kilo. Vor ein, zwei Jahren waren es noch über 5 Kilo. Aber wir haben fast keine Gäste mehr. Wieso sollten wir dann soviel kochen."
Durch eine Öffnung reicht Laurinda ihrer Chefin den ersten Teller Bohneneintopf. Filomena Tomé, die alle nur Tante Mena nennen, blickte in ihr fast leeres, in fades Neonlicht getauchtes Lokal. Elf Tische, nur zwei sind besetzt:
"Wir haben jetzt viertel vor eins. Und das ist der erste Teller Bohneneintopf, den ich an den Tisch bringe. Sonst wären es bereits zehn oder zwölf gewesen. Ich würde hier auch nicht mit verschränkten Armen stehen so wie jetzt, sondern hätte den ganzen Raum voller Gäste."
An einem der Tische sitzt António Silva. Er kommt seit 20 Jahren hierher zum Mittagessen. Auch wegen dem netten Service. Filomena bindet ihm eine einfache weiße Schürze um, damit sich der Gast nicht den Anzug mit der Tomatensauce bekleckert, in der das Hähnchenfleisch auf seinem Teller gebraten wurde:
"Es sind viel weniger Gäste hier als früher. Noch vor fünf Jahren standen die Leute um diese Uhrzeit bis auf die Straße. Regelmäßige Gäste wie ich mussten immer für den nächsten Tag einen Tisch reservieren."
Probleme gibt es schon länger. Die Portugiesen haben wegen der Wirtschaftskrise kein Geld mehr für Restaurantbesuche, obwohl das traditionelle Mittagessen im Lokal um die Ecke eigentlich Teil der portugiesischen Kultur ist. Filomena hat den Rückgang der Gäste über Jahre mit Sorge beobachtet. In diesem Jahr hat dann die Regierung die Mehrwertsteuer für Gaststätten von 13 auf 23 Prozent angehoben und erfüllt damit eine Forderung der Troika, also der Europäischen Union, des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank:
"Bisher haben wir noch jede Krise gemeistert, aber jetzt steht uns das Wasser bis zum Hals. Ich weiß wirklich nicht, was sich die Regierung dabei gedacht hat. Wollen die die ganzen Restaurants in die Pleite zwingen? Wenn sie die Steuererhöhung wieder rückgängig machen würden, dann schaffen wir es vielleicht. Wenn nicht, dann müssen wir wahrscheinlich schließen und werden alle arbeitslos."
Filomenas Mann António - große Brille, buschiger Schnauzbart - steht an seiner Kasse und druckt einen Bon aus. "Essen, 6 Euro" steht da drauf, mehr nicht. Er erklärt: Wenn er das Getränk, das Hauptgericht, den Nachtisch und den Café einzeln auflisten würde, käme er auf über 8 Euro. Doch António rundet ab. Um nicht noch mehr Gäste zu verlieren. Dafür tippt er auch nicht alles in die Kasse. Wegen der Steuern.
"Es wird uns vorgeworfen, dass wir Steuern hinterziehen würden. Und ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass das nicht wahr sei. Natürlich kommt nicht alles in die Abrechnung. Warum? Weil viele sonst die Tür schon längst hätten schließen müssen. Bei unserer geringen Gewinnmarge geht das nicht anders. Und warum arbeiten wir weiter mit so günstigen Preisen? Weil sonst überhaupt keine Gäste mehr kommen würde. Ist das dann nicht auch für den Staat das kleinere Übel, wenn wir so zumindest noch ein paar Arbeitsplätze erhalten können?"
Das sieht die portugiesische Regierung anders. Ab nächstem Jahr muss jedes Restaurant immer eine Rechnung ausgeben, ob das der Gast will oder nicht. Die Steuerlücken könnten geschlossen werden, und einige Restaurants wohl auch.
Antónios kleines Lokal wird womöglich dazu gehören. Seit über 40 Jahren arbeitet der Familienvater in der Gastronomie. Und eigentlich steht er nur aus einem einzigen Grund jeden Morgen auf, und öffnet sein 70 Quadratmeter großes Reich den Gästen.
"Ich mach das alles nur wegen meinem Sohn. Der arbeite hier. Mein Sohn hat keine Ausbildung und kein Studium. Was soll er denn später machen, wenn wir den Laden schließen? Ich mache nur Verlust. Nehmen wir mal an, diese Kühlvitrine hier würde morgen kaputt gehen. Dann müsste ich einen Techniker holen lassen, und Fachkräfte verlangen viel Geld. Dann sind, sagen wir mal, 300 Euro weg. Das Geld müsste ich vom Sparkonto nehmen, von den Brotkrümeln, die ich mir mühsam in besseren Jahren zusammengekratzt habe."
Carlos, der Sohn, steht hinter der Bar und putzt Gläser. Er winkt ab: Keine Lust auf Interviews. Seine Freundin Anabela arbeitet auch im Restaurant. Sie macht sich große Sorgen, wenn sie an die Zukunft denkt. Schon jetzt liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei über 36 Prozent, und wenn tatsächlich Hunderte von Restaurants schließen sollten, wird Anabela so leicht keinen neuen Job finden.
"Wenn das hier nicht mehr weitergeht, dann weiß ich nicht, was mit mir passiert. Ich muss meine laufenden Kosten decken, Miete, Strom, Wasser zahlen. Und ich kann nun mal nur als Kellnerin arbeiten. Mehr habe ich leider nicht gelernt."
Laurinda Teixeira steht in ihrer sechs Quadratmeter großen, fensterlosen Küche und rührt mit einem Holzstab in einem riesigen Bohneneintopf. Feijoada. Da ist alles drinnen, was man vom Schwein abschneiden kann. Maul, Haxen, Ohren:
"Das ist nicht so viel. Das sind drei Kilo. Vor ein, zwei Jahren waren es noch über 5 Kilo. Aber wir haben fast keine Gäste mehr. Wieso sollten wir dann soviel kochen."
Durch eine Öffnung reicht Laurinda ihrer Chefin den ersten Teller Bohneneintopf. Filomena Tomé, die alle nur Tante Mena nennen, blickte in ihr fast leeres, in fades Neonlicht getauchtes Lokal. Elf Tische, nur zwei sind besetzt:
"Wir haben jetzt viertel vor eins. Und das ist der erste Teller Bohneneintopf, den ich an den Tisch bringe. Sonst wären es bereits zehn oder zwölf gewesen. Ich würde hier auch nicht mit verschränkten Armen stehen so wie jetzt, sondern hätte den ganzen Raum voller Gäste."
An einem der Tische sitzt António Silva. Er kommt seit 20 Jahren hierher zum Mittagessen. Auch wegen dem netten Service. Filomena bindet ihm eine einfache weiße Schürze um, damit sich der Gast nicht den Anzug mit der Tomatensauce bekleckert, in der das Hähnchenfleisch auf seinem Teller gebraten wurde:
"Es sind viel weniger Gäste hier als früher. Noch vor fünf Jahren standen die Leute um diese Uhrzeit bis auf die Straße. Regelmäßige Gäste wie ich mussten immer für den nächsten Tag einen Tisch reservieren."
Probleme gibt es schon länger. Die Portugiesen haben wegen der Wirtschaftskrise kein Geld mehr für Restaurantbesuche, obwohl das traditionelle Mittagessen im Lokal um die Ecke eigentlich Teil der portugiesischen Kultur ist. Filomena hat den Rückgang der Gäste über Jahre mit Sorge beobachtet. In diesem Jahr hat dann die Regierung die Mehrwertsteuer für Gaststätten von 13 auf 23 Prozent angehoben und erfüllt damit eine Forderung der Troika, also der Europäischen Union, des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank:
"Bisher haben wir noch jede Krise gemeistert, aber jetzt steht uns das Wasser bis zum Hals. Ich weiß wirklich nicht, was sich die Regierung dabei gedacht hat. Wollen die die ganzen Restaurants in die Pleite zwingen? Wenn sie die Steuererhöhung wieder rückgängig machen würden, dann schaffen wir es vielleicht. Wenn nicht, dann müssen wir wahrscheinlich schließen und werden alle arbeitslos."
Filomenas Mann António - große Brille, buschiger Schnauzbart - steht an seiner Kasse und druckt einen Bon aus. "Essen, 6 Euro" steht da drauf, mehr nicht. Er erklärt: Wenn er das Getränk, das Hauptgericht, den Nachtisch und den Café einzeln auflisten würde, käme er auf über 8 Euro. Doch António rundet ab. Um nicht noch mehr Gäste zu verlieren. Dafür tippt er auch nicht alles in die Kasse. Wegen der Steuern.
"Es wird uns vorgeworfen, dass wir Steuern hinterziehen würden. Und ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass das nicht wahr sei. Natürlich kommt nicht alles in die Abrechnung. Warum? Weil viele sonst die Tür schon längst hätten schließen müssen. Bei unserer geringen Gewinnmarge geht das nicht anders. Und warum arbeiten wir weiter mit so günstigen Preisen? Weil sonst überhaupt keine Gäste mehr kommen würde. Ist das dann nicht auch für den Staat das kleinere Übel, wenn wir so zumindest noch ein paar Arbeitsplätze erhalten können?"
Das sieht die portugiesische Regierung anders. Ab nächstem Jahr muss jedes Restaurant immer eine Rechnung ausgeben, ob das der Gast will oder nicht. Die Steuerlücken könnten geschlossen werden, und einige Restaurants wohl auch.
Antónios kleines Lokal wird womöglich dazu gehören. Seit über 40 Jahren arbeitet der Familienvater in der Gastronomie. Und eigentlich steht er nur aus einem einzigen Grund jeden Morgen auf, und öffnet sein 70 Quadratmeter großes Reich den Gästen.
"Ich mach das alles nur wegen meinem Sohn. Der arbeite hier. Mein Sohn hat keine Ausbildung und kein Studium. Was soll er denn später machen, wenn wir den Laden schließen? Ich mache nur Verlust. Nehmen wir mal an, diese Kühlvitrine hier würde morgen kaputt gehen. Dann müsste ich einen Techniker holen lassen, und Fachkräfte verlangen viel Geld. Dann sind, sagen wir mal, 300 Euro weg. Das Geld müsste ich vom Sparkonto nehmen, von den Brotkrümeln, die ich mir mühsam in besseren Jahren zusammengekratzt habe."
Carlos, der Sohn, steht hinter der Bar und putzt Gläser. Er winkt ab: Keine Lust auf Interviews. Seine Freundin Anabela arbeitet auch im Restaurant. Sie macht sich große Sorgen, wenn sie an die Zukunft denkt. Schon jetzt liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei über 36 Prozent, und wenn tatsächlich Hunderte von Restaurants schließen sollten, wird Anabela so leicht keinen neuen Job finden.
"Wenn das hier nicht mehr weitergeht, dann weiß ich nicht, was mit mir passiert. Ich muss meine laufenden Kosten decken, Miete, Strom, Wasser zahlen. Und ich kann nun mal nur als Kellnerin arbeiten. Mehr habe ich leider nicht gelernt."