"Wir müssen halt zu Fuß gehen"

Von Christopher Plass |
Portugal hängt seit 2011 am internationalen Finanztropf. Das ärmste Land Westeuropas hatte eine Hilfe von 78 Milliarden Euro bekommen und war damit haarscharf der Staatspleite entgangen. Im Gegenzug ächzen nun auch die Portugiesen unter den geforderten eisernen Sparmaßnahmen.
Das hat es noch nicht gegeben: Als kürzlich im portugiesischen Parlament der Jahrestag der Nelkenrevolution vom 25.April 1974 gefeiert wurde, fehlte die Garde der Veteranen, die die Revolution möglich gemacht hatten. Das waren damals linke Offiziere gewesen, die jetzt die Jubiläums-Feier erstmals boykottierten. Ein Protest gegen die aktuelle Sparpolitik der konservativ-liberalen Regierung. Und auch die Feiern zum 1. Mai standen natürlich im Zeichen der Sparpolitik und des drohenden Sozialabbaus in Portugal. Viele demonstrierten gegen den Kurs. Allerdings musste Gewerkschafts-Chef Joao Proenca einräumen, dass die Mobilisierung der Betroffenen schwer fällt:

"In Zeiten der Krise ist es schwerer zu mobilisieren. Die Menschen besinnen sich offenbar weniger auf die Gewerkschaftsbewegung. Viele haben ja auch ihren Job verloren."

Das ist so: in Portugal ist die Arbeitslosenquote auf über 15 Prozent angestiegen. Besonders betroffen auch hier – wie im Nachbarland Spanien – die Jugend: rund 35 Prozent der jungen Leute unter 25 sind ohne Job. Und die Aussichten am Arbeitsmarkt bleiben düster. Die Wirtschaft des Landes könnte in diesem Jahr um drei Prozent einbrechen. Für manche scheint es ein Ausweg zu sein, andernorts Arbeit zu suchen. Im April wurde gemeldet, dass im vergangenen Jahr bereits rund 150 000 meist junge Portugiesen ausgewandert sind – viele erhoffen sich beispielsweise in Brasilien neue Chancen, wo die gleiche Sprache gesprochen wird.

Es ist eine Rosskur, die die liberal-konservative Regierung dem Land verschrieben hat. Vom Ausland bekommt Ministerpräsident Passos Coelho dafür gute Noten: 2010 hatte Portugal noch ein Haushalts-Defizit von fast 10 Prozent, 2011 hatte man es in etwa halbiert. Im Gegenzug sind EU, EZB und IWF bereit, das Land aus dem Rettungsfonds finanziell zu unterstützen. Gerade erst hat der Experte der EU-Kommission, Peter Weiss, dem Land bescheinigt, es sei finanzpolitisch auf Kurs – mit einer kleinen Einschränkung allerdings:

"Ob Portugal damit die Märkte überzeugen kann, ist eine andere Frage. Das Spar-Programm ist das, was die Regierung derzeit tun kann."

Portugal steht angesichts des Sparkurses noch nicht auf den Barrikaden. Es überwiegen eher fatalistische Haltungen wie die einer Frau, die wir beim Einkaufen treffen:

"Die Mehrwertsteuer ist nun höher, der Bus wird teurer. Wir müssen halt zu Fuß gehen. Wir müssen sparen, um irgendwie zu überleben. Und wir hoffen, dass es besser wird für unsere Unternehmen und dass es mehr Arbeit gibt."

Hoffen, hoffen, hoffen – das ist das Überlebensprinzip, nicht nur der einfachen Leute, sondern auch der Politik. Die Regierung Passos Coelho meint, dass sie 2012 auf ein Defizit von nur noch 4,5 Prozent kommen kann, 2013 soll gar eine Drei vor dem Komma stehen. Damit ist die Hoffnung verbunden, dass die Finanzmärkte innerhalb der nächsten zwei/drei Jahre wieder Vertrauen fassen und dem Land wieder billiger Geld leihen würden. Die Gewerkschaften warnen aber davor, dass die Rezession sich eher verschlimmern werde: eine schwache Wirtschaft bringe keine Einnahmen.

In Lissabon wird beobachtet, dass Restaurants in diesen Tagen leer bleiben, dass Familien ihre Wohnungen abgeben müssen, weil sie die Darlehen nicht mehr bedienen können. Der Politik-Experte Viriato Marques warnt:

"Es deutet alles darauf hin, dass wir für die Haushalts-Sanierung einen sehr hohen Preis bezahlen müssen. Firmen gehen pleite, die Arbeitslosigkeit steigt."
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