"Reporter ohne Grenzen" zu Erdogans Besuch

Bessere Beziehung nur mit Freilassung von Journalisten

Der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr, steht vor einem Banner der Journalistenorganisation
Christian Mihr, Geschäftsführer von "Reporter ohne Grenzen": Über jedem Journalisten in der Türkei ein Damoklesschwert. © imago images / Rainer Zensen
Christian Mihr im Gespräch mit Axel Rahmlow · 28.09.2018
Der türkische Präsident Erdogan weilt zu einem Staatsbesuch in Berlin – ein Dauerstreitthema zwischen beiden Ländern ist die Pressefreiheit. Christian Mihr von "Reporter ohne Grenzen" lobt Kanzlerin und Bundespräsident und hofft, dass beider Worte bei Erdogan wirken.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist in Berlin zu Besuch, am heutigen Abend gibt es ein Staatsbankett für ihn. Ein immer wiederkehrender Streitpunkt im deutsch-türkischen Verhältnis ist in den vergangenen Jahren die Situation von Journalisten und die problematische Lage der Pressefreiheit in der Türkei gewesen. Das gilt auch nach der Freilassung aus der Untersuchungshaft von Deniz Yücel und Mesale Tolu in der Türkei und ihrer Ausreise nach Deutschland – zumal gegen beide noch Verfahren im Gang sind.
Die Nicht-Regierungs-Organisation "Reporter ohne Grenzen" hat Erdogan schon vor zwei Jahren als "Feind der Pressefreiheit" bezeichnet, wie der Geschäftsführer der Organisation, Christian Mihr, im Deutschlandfunk Kultur in Erinnerung ruft. Mehr als 100 Journalisten säßen derzeit in türkischen Gefängnissen, so die Organisation.

Auslieferungsanträge ein Affront

Natürlich sei es ein Affront seitens der türkischen Regierung und letztlich von Staatspräsident Erdogan, einen Auslieferungsantrag für Can Dündar und weitere 68 Personen zu stellen – und das just zu dem Zeitpunkt des Staatsbesuches von Erdogan, sagt Mihr.
Dass Dündar seitens der Bundesregierung für die Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Merkel und Erdogan akkreditiert wurde, sei zugleich eine klare Aussage der deutschen Seite. Der frühere "Cumhuriyet"-Chefredakteur Dündar habe dann verzichtet – Mihr vermutet, aus Rücksichtnahme darauf, dass seine Frau noch in der Türkei lebt und nicht ausreisen darf.
Mihr lobt Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dafür, dass sie das Thema Pressefreiheit deutlich angesprochen hätten: Merkel habe deutlich gemacht, dass auch Verhaftungen und Verurteilungen gegen Journalisten der Zeitung "Cumhuriyet" nicht hinnehmbar seien. Steinmeier habe Erdogan eine Liste von "Reporter ohne Grenzen" überreicht, auf der die Namen mehrerer inhaftierter Journalisten stehen, deren Fälle besonders dringend behandelt werden sollten.

Bilaterale Beziehungen und der Journalismus

Mihr hofft, dass Präsident Erdogan die Liste mitnimmt und dass auch die Botschaft ankommt: "Wenn wir über eine Verbesserung der deutsch-türkischen Beziehungen reden, dann geht das nur mit einer Verbesserung der Lage der Journalistinnen und Journalisten, und das heißt im Fall derjenigen, die auf dieser Liste stehe, einer Freilassung."
Fast alle Journalistinnen und Journalisten aus der Türkei seien wegen ein und des selben Vorwurfs in Haft, nämlich, dass sie Terrorpropaganda verbreitet hätten. "Und das eigentlich nur deshalb, weil sie berichtet haben" – über Kundgebungen, über Demonstrationen, aber auch einfach kritisch über die Politik der türkischen Regierung, wie Mihr aufzählt. Er kommt zu dem Schluss: "Allein die normale Berichterstattung, die wird vielen zum Problem."
In so gut wie jeder Redaktion gebe es leere Schreibtische, die Kolleginnen und Kollegen gehörten, die in Haft säßen, berichtet Mihr von seinen Türkei-Besuchen. Über jedem Journalisten in der Türkei schwebe eine Art Damoklesschwert, dass er auch bald dran sein könne.
(mf)
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