Replik auf Jenny Erpenbecks Kuba-Bild

Der Hunger spricht gegen das politische System

08:07 Minuten
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Polizeischutz für begehrte Lebensmittel - Ansturm auf die neue Markthalle in Havanna im November 2019. © ARD-Studio Mexiko
Peter B. Schumann im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 25.06.2020
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Die Schriftstellerin Jenny Erpenbeck hat im Deutschlandfunk Kultur Solidarität mit Kuba gefordert. Der Publizist Peter B. Schumann widerspricht dem von ihr gezeichneten Kuba-Bild deutlich.
Die Trump-Regierung verschärft beständig ihre Sanktionen gegen Kuba - und seit Jahrzehnten gibt es ohnehin schon eine Wirtschaftsblockade der Amerikaner gegen die Insel. Eine Gruppe namhafter deutscher Kulturschaffender appelliert deshalb an die deutsche Regierung, sich während der EU-Ratspräsidentschaft aktiv für eine Aufhebung des Embargos einzusetzen.
Auch die Schriftstellerin Jenny Erpenbeck hat den offenen Brief unterschrieben. Kuba sei in Bezug auf manche Menschenrechte weiter als der Westen, sagt sie. Es gebe das Recht auf allgemeine Bildung und ein gutes Gesundheitssystem, das in ganz Südamerika seinesgleichen suche.
Das Gespräch mit Jenny Erpenbeck hören Sie hier:
Auf dem Bild ist die Autorin Jenny Erpenbeck mittig auf dem Bild zu sehen, sie guckt grade lächelnd in die Kamera
Die Schriftstellerin Jenny Erpenbeck hat sich im Deutschlandfunk Kultur für die Solidarität Deutschlands mit Kuba ausgesprochen.© imago/Italy Photo Press
Der Publizist Peter B. Schumann reist seit Jahrzehnten in lateinamerikanische Ländern. Kuba lässt ihn allerdings nicht mehr ins Land - weil er sich mit der Opposition befasst hat. Dafür, dass die Bundesregierung die Entwicklungshilfe gestoppt hat, sieht er berechtigte Gründe:
"Die Entwicklungshilfe ist immer an bestimmte Bedingungen geknüpft, zum Beispiel an gesellschaftlichen Fortschritt." Den habe die Bundesrepublik in Kuba nicht feststellen können. Es gebe weder Fortschritte bei den Menschenrechten noch mehr Möglichkeiten für die Opposition und auch nicht mehr Informationsfreiheit, so Schumann.
"Das ist auch einer der Gründe, weshalb es bis heute kein Goethe-Institut in Havanna gibt. Weil es von der kubanischen Seite her Auflagen gibt, die einfach nicht erfüllt werden können", ergänzt er. Seiner Meinung nach trennt Erpenbeck zwischen "politischen und sozialen Menschenrechten", wenn sie das Bildungswesen und das Gesundheitssystem anspreche. Auch die offizielle kubanische Seite mache das gern so.

Mediziner bringen Kuba Geld

Auch Erpenbecks Verweis auf das "gute" Gesundheitssystem lässt Schumann nicht gelten: "Das Gesundheitswesen ist trotz der vielen Ärzte, die es angeblich auf Kuba geben soll, im Augenblick ziemlich marode. Und das Bildungswesen ist nicht viel besser. Es ist kostenlos, aber ich möchte in Kuba nicht unbedingt in einem Krankenhaus landen."
Erpenbecks Würdigung, Kuba entsende in der Corona-Pandemie solidarisch viele Ärzte in andere Länder, dämpft Schumann:
"Es geht nicht nur um Ärzte, es geht vor allem um medizinisches Personal. Für die humanitäre Hilfe sind so viele Kubaner unterwegs, so viele Ärzte kann es in Kuba gar nicht geben." Außerdem mache die kubanische Regierung mit der Entsendung der Helfer auch großen finanziellen Gewinn.
Die Summe, die Kuba durch die Einsätze erhält, übersteigt laut Schumann inzwischen die Devisen-Einnahmen durch den Tourismus: "2018 hat Kuba hiermit 6,4 Milliarden Dollar eigenommen. Das eingesetzte Personal wird relativ schlecht bezahlt. Gegenwärtig sind 37.000 Leute in 67 Ländern tätig, viele von ihnen haben sich mit dem Coronavirus infiziert."

Bedürfnis nach Konsum

Für Erpenbeck spielt in Kuba Konsum keine Rolle. Auch hier widerspricht Schumann deutlich. Das Mangelgefühl sei ständig da. "Wenn man zum Beispiel mit der Lebensmittelkarte versorgt wird, die es seit neuestem wieder gibt, weil die Versorgungssituation einfach so schlecht geworden ist. Vor ein paar Wochen sind wieder neue Supermärkte eröffnet worden. Der Run der Kubaner war so groß, dass die Polizei eingreifen musste. Sie wurden wieder geschlossen."
Nach 60 Jahren Mangelwirtschaft hätten die Kubaner ein großes Bedürfnis, auch zu konsumieren, schlussfolgert Schumann und ergänzt: "Insofern glaube ich das, was Frau Erpenbeck da gesagt hat, überhaupt nicht. Und wenn der Staatssozialismus es nicht fertiggebracht hat, auf dieser fruchtbaren Insel seine Bevölkerung zu ernähren, dann stimmt doch irgendwas im System nicht."
In einem wichtigen Punkt teilt Schumann allerdings Erpenbecks Forderung nach Solidarität mit Kuba - in Bezug auf das US-Wirtschaftsembargo:
"Ich war von Anfang an gegen dieses Embargo. Inzwischen ist es fast zu einer Blockade geworden: durch den Wahn von Trump, der nun auch angefangen hat, die Devisenüberweisungen der Exil-Kubaner nach Kuba zu stoppen, die für viele eine Existenzgrundlage darstellt."
(mfied)
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