Renaissance des Panoramabildes

Yadegar Asisi im Gespräch mit Dieter Kassel |
Yadegar Asisi hat die Kunst des Panoramabildes mit modernen Mitteln neu belebt. In alten Gasometern erweckt er historische Szenen zu neuem Leben. Jetzt hat er sich der Berliner Mauer angenommen und stellt einen fiktiven Tag an der Mauer in den 80er Jahren dar.
Dieter Kassel: Panometer – das ist ein Kunstwort, zusammengesetzt aus den Begriffen Panorama und Gasometer. Erfunden hat es der Berliner Künstler Yadegar Asisi, der zunächst in Leipzig und dann in Dresden alte Gasometer dazu nutzte, riesige Panoramabilder anzubringen. Über 100 Meter lang, aber auch irgendwie endlos, da man die Kunstwerke ja im Inneren eines runden Gebäudes betrachtet. Das kann man zurzeit bis Mitte Oktober auch noch im Pergamon-Museum in Berlin tun, hier hat Asisi ein Pergamon-Panometer gestaltet, und ab übermorgen – ebenfalls in Berlin – am Checkpoint Charlie. Für diesen Ort hat Asisi ein Panometer geschaffen, das einen Herbsttag an der Berliner Mauer irgendwann in den 80er-Jahren zeigt. Ich habe Yadegar Asisi in seinem Atelier in Berlin-Kreuzberg besucht und ihn als Erstes gefragt, warum er ausgerechnet die alten Mauerzeiten wieder auferstehen lassen will.

Yadegar Asisi: Wissen Sie, jetzt bin ich ja schon viele Jahre mit diesem Medium unterwegs, und dauernd kommen Leute und sagen: Du musst das machen, du musst das machen. Und dann kam natürlich auch die Berliner Mauer – und ich habe immer gesagt, ich will nichts über die Berliner Mauer machen, weil über die Berliner Mauer wird hier schon genug geredet. Also ich brauche immer einen inhaltlichen Impuls. Wenn ich den nicht habe, kann ich diese Arbeit nicht machen, weil die ist ja auch sehr intensiv. Und dann kam ein Augenblick, wo ein Freund mich fragte, wie war denn eigentlich das Leben an der Berliner Mauer, und diese Antwort hat mich so schockiert – ich habe gesagt: Es war normal.

Und dann hatte ich auf einmal ein Thema, ich habe gesagt, was war das eigentlich, also reflektierend auf mein eigenes Leben. Ich habe gesagt, die Mauer hat nicht existiert – und dann kamen eben viele Fragen: Was bedeutet das eigentlich, dass man sich so arrangiert, dass man wirklich daneben gelebt hat und sie nicht mehr gesehen hat? Und dann habe ich gesagt, wenn ich diesen Augenblick einfangen könnte, dann ist es vielleicht ein Beitrag in dieser ganzen Erinnerungskultur, die wir hier in der Stadt haben, und vielleicht für alle anderen Erinnerungen an solche Zeiten, dass man die Frage nach der Normalität immer wieder stellen muss, weil durch die Normalität kommt man viel eher auch in Befindlichkeiten der Menschen, die diese Zeit gelebt haben. Und dann bin ich eben ein Zeitzeuge, und ich denke, als Künstler darf ich als Zeitzeuge mir einen Aspekt dieses komplexen Themas auch raussuchen, und das habe ich dann gemacht.


Die vollständige Fassung des Interviews finden Sie in unserer Sendung "Radiofeuilleton".


Mehr Infos zu Yadegar Asisi und seinen Projekten auf dradio.de:

Spaziergang durch Pergamon - Eine sensationelle Antiken-Installation in Berlin zeigt das Leben im Jahr 129 n.Chr.

Alltagsleben im Jahre 129 nach Christus - Sonderausstellung "Panorama des antiken Pergamon" in Berlin
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