Wann ist der Betrieb einer Plattform strafbar?
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Das Darknet ist im Fokus der Ermittler: Administratoren der Kinderpornografie-Seite Elysium konnten so verurteilt werden. Ein Gesetzentwurf sieht nun vor, den strafrechtlichen Rahmen für Darknet-Plattformbetreiber generell zu verschärfen.
Auf die Spur der Betreiber von Elysium kamen die Ermittler durch einen Zufall. Wie es dazu kam, erklärt Alexander May. Er ist der Leiter der hessischen Zentralstelle für Internetkriminalität ZIT, die damals gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt ermittelte:
"Zuallererst konnten wir den Standort des Servers lokalisieren. Und das war ein ausgesprochener Zufall. Wir haben natürlich verdeckt ermittelt, wir haben natürlich Polizeibeamte auf diesem Board gehabt. Es gab ja keinen Postingzwang, sodass wir keine Straftaten begehen mussten. Und diese Polizeibeamten überwachen natürlich ihre Kommunikation mit dem Board sehr stark. Und hier war es so, dass es einen kleinen technischen Fehler gab, eine kleine Lücke, einen Bug."
Ermittlerfolg dank fehlerhafter Forensoftware
Wenn man nämlich Profilbilder aus dem Netz auf Elysium hochladen wollte, war für einen ganz kurzen Augenblick die Verbindung nicht mehr verschlüsselt.
"Und so tauchte mehrfach eine IP-Adresse auf", erklärt Alexander May. "Und die IP-Adresse wies eben in eine Werkstatt nach Bad Camberg. Es war einfach ein Fehler in der Forensoftware. Die Forensoftware arbeitete in diesem einen kleinen Teilbereich nicht unter Tor."
Über die IP-Adresse kamen die Ermittler dann an die echte Adresse und fanden so die Werkstatt im hessischen Bad Camberg, in der die Server standen.
Trotz dieses Erfolges beklagen die Ermittler aber seit Langem, dass den Betreibern von illegalen Darknetplattformen strafrechtlich in vielen anderen Fällen oft nicht beizukommen ist. Gerade im Bereich der sogenannten 'underground economy', wo es beispielsweise um den Handel mit Drogen, Waffen, gefälschten Identitäten, aber auch beispielsweise mit Schadsoftware geht, stoßen die Ermittler an ihre Grenzen, sagt Dirk Büchner vom Bundeskriminalamt:
"Da sagen uns dann die Rechtsanwälte dieser Administratoren, wenn der Administrator nichts angeboten hat oder an den Geschäften nicht teilgenommen hat: Ja, das ist ja im Endeffekt wie ein Flohmarktveranstalter und er weiß ja gar nicht, was an den einzelnen Ständen verkauft wird. Trotzdem sagen wir natürlich, der bietet vielen Leuten die Gelegenheit, Dinge anzubieten und zu verkaufen. Das ist bisher von der Strafbarkeit nicht so fassbar, wie wir uns das wünschen würden."
Oft könne nämlich den Betreibern und Administratoren nicht nachgewiesen werden, dass sie wirklich vorsätzlich den Waffenhandel, Drogenhandel oder was sonst auf der Plattform passiert, unterstützen. Das aber ist erforderlich, um wenigstens wegen einer sogenannten Beihilfe zu bestrafen. Und selbst wenn das gelingt, ist dann die Strafe – so meint es zumindest Dirk Büchner – oft viel zu niedrig.
NRW bringt Gesetzentwurf beim Bundesrat ein
Deshalb soll jetzt das Gesetz geändert werden. Der nordrhein-westfälische Justizminister Peter Biesenbach hat Mitte Februar einen Gesetzentwurf beim Bundesrat eingebracht. Er will, dass allein schon das Betreiben einer Darknet-Plattform, über die bestimmte illegale Sachen oder Dienstleistungen gehandelt werden – zum Beispiel Drogen, Waffen, Falschgeld und auch Hackerprogramme – bestraft wird. Mit bis zu drei Jahren Haft. Und derjenige, der das ganze gewerblich betreibt, soll sogar für bis zu zehn Jahre ins Gefängnis kommen.
Justizminister Biesenbach erklärt seinen Vorstoß in der Bundesratssitzung so: "Der neue Straftatbestand stellt das Anbieten von Leistungen zur Ermöglichung von Straftaten unter Strafe. Unser Gesetzesantrag zielt darauf ab, der Praxis eine rechtssichere, verhältnismäßige Regelung an die Hand zu geben, um das strafwürdige Verhalten zu erfassen und hieran auch die Ermittlungsmethoden anzupassen."
Die Ermittlungsmethoden anpassen heißt bei Biesenbach, dass er in bestimmten, besonders schweren Fällen auch die Überwachung von Telefongesprächen, SMS, E-Mails oder des Internetverkehrs erlauben will, wenn ein Richter zustimmt.
Der Justizminister befürchtet, dass die Hemmschwellen sinken könnten, "dass über das Darknet Personen, die sich auf herkömmlichem Wege nie Waffen, Betäubungsmittel oder Falsifikate besorgt bzw. kriminelle Dienstleistungen in Anspruch genommen hätten, jetzt einen niederschwelligen Zugang zu kriminellen Marktplätzen erhalten."
Viel, viel weiter als der Vorschlag aus NRW gehen aber noch die Änderungsempfehlungen des Rechts- und des Innenausschusses des Bundesrates. Hier wird vorgeschlagen, dass nicht nur die Betreiber von illegalen Darknetplattformen, sondern die Betreiber von jeglichen Plattformen, auf denen illegale Waren oder Dienstleistungen gehandelt werden, bestraft werden sollen. Und bei den Ermittlungen dazu soll dann sogar eine Onlinedurchsuchung möglich sein. Das heißt, die Strafverfolger sollen dann auch Überwachungssoftware auf Computern von Verdächtigen installieren dürfen.
Warnung vor einem Generalverdacht
Der Erlanger Rechtswissenschaftler Christian Rückert hält den Gesetzesvorstoß insgesamt für komplett überflüssig:
"Eine echte Strafbarkeitslücke vermag ich allerdings nicht zu entdecken. Wenn man sich mal ansieht, um welche Waren es sich handelt, um was für Güter es sich überwiegend handelt, dann sind das vor allem Betäubungsmittel und dann sind das Waffen, dann ist das Falschgeld und in Teilbereichen eben Kinder- und Jugendpornografie. Und in diesen Bereichen haben wir schon sehr weite Strafnormen, die bereits das Betreiben einer solchen Plattform, wenn ich weiß, was da gehandelt wird, und das sozusagen bewusst zu Vermittlungszwecken zur Verfügung stelle, dann haben wir da schon Strafnormen, die dieses Verhalten eigentlich aus meiner Sicht schon ausreichend erfassen würden."
Er warnt vielmehr davor, Plattformen unter Generalverdacht zu stellen. Und Rückert meint, dass der Tatbestand viel zu unscharf gefasst ist: "Das große Problem ist, dass ich bei einem solchen Straftatbestand Gefahr laufe, Kollateralschäden anzurichten, was die Meinungs- und Informationsfreiheit angeht."
Denn bislang sind ja Plattformbetreiber für illegale Inhalte nur dann verantwortlich, wenn sie Kenntnis darüber haben, dass es diese Inhalte auf ihrer Plattform gibt.
"Wenn ich dieses System jetzt umdrehe", sagt Christian Rückert, "dann laufe ich in Gefahr, dass andere Plattformen, auf denen hin und wieder mal Straftaten begangen werden, auf denen aber auch Meinungsaustausch stattfindet, auf denen Informationen stattfinden, da schweben mir vor allem die Undergroundforen vor, die im Darknet ja auch vorhanden sind, auf denen zumindest auch beides abläuft... Man muss natürlich auch aufpassen, dass man im normalen E-Commerce auch nicht zu viel erfasst. Auch auf Plattformen, auf denen Dritte handeln dürfen, die im Surface-Web sind – ich nenn jetzt mal keine Namen – wird schon auch mal Hehlerware verkauft. Und da muss man eben aufpassen, dass man nicht zu viel erfasst."
Mindestens genauso kritisch sieht das der Berliner Richter und Vorsitzende der Gesellschaft für Freiheitsrechte Ulf Buermeyer:
"Eine solche Norm würde das große Risiko bergen, völlig unproblematisches Verhalten unter Strafe zu stellen. Es ist aber Aufgabe des Strafrechtsgebers, eindeutig festzulegen, welches menschliche Verhalten strafbar ist und insbesondere auch, welches nicht. Das Strafrecht übernimmt nämlich die Garantie dafür, den Menschen eindeutig zu kommunizieren, wie sie sich verhalten müssen, damit sie sicher sein können, keine Probleme mit den Strafverfolgungsbehörden zu bekommen."