Regisseurin

Theater als Hypnose

Theater Hebbel am Ufer (HAU) Berlin
Gastspiel beim Theatertreffen: Susanne Kennedy inszeniert im Berliner Hebbel am Ufer. © dpa/picture alliance/Paul Zinken
Von Gerd Brendel · 07.05.2014
Ihr "Fegefeuer in Ingolstadt" rief heftige Reaktionen hervor, ganz nach dem Geschmack Susanne Kennedys. Die Regisseurin möchte ihre Zuschauer am liebsten hypnotisieren und "in Zustände" versetzen. Gerade ist sie in Berlin zu Gast.
Der Bühneneingang des Maxim Gorki Theaters in Berlin. Noch kennt der Pförtner die junge Frau mit dem Kurzhaarschnitt nicht.
"Hallo .. ich treff' mich hier irgendwo in der Kantine."
"Wer sind Sie denn?"
"Susanne Kennedy.. Ich komm hier vielleicht was machen. In einem Jahr."
Dabei ist es ziemlich sicher, dass die Regisseurin Susanne Kennedy demnächst "was am Haus machen wird." Spätestens seit ihrer zweiten Produktion an den Münchner Kammerspielen, "Fegefeuer in Ingolstadt" im letzten Jahr, ist sie keine Unbekannte in der deutschen Theaterlandschaft mehr.
Die Einladung an die Kammerspiele hat sie deren Intendanten Johan Simons zu verdanken. Der Niederländer hatte sie am Nationaltheater Den Haag kennengelernt, wo Kennedy in den letzten vier Jahren als Hausregisseurin inszenierte.
"Guten Tag, es geht los mit der Probe... Schauspiel bitte zur Bühne. Die Probe beginnt."
Jetzt freut sie sich, dass sie in der Theaterkantine vom Maxim Gorki nur den Mitarbeiterpreis für den Milchkaffee bezahlen muss und staunt noch immer über den Unterschied zwischen deutschem und niederländischem Theaterbetrieb.
"In Holland würde nie jemand auf die Idee kommen, überhaupt 'buh' zu rufen."
"Also ich glaub', dass das was Deutsches ist, dass Theater so 'ne Institution ist. Theater ist in Holland einfach nicht so wichtig. Die Leute regen sich nie so über Theater auf, was auch total schade ist. In Holland würde nie jemand auf die Idee kommen, überhaupt 'buh' zu rufen. Das macht man da nicht."
Wie sehr sich die Zuschauer in deutschen Theatern aufregen können, hat sie im letzten Jahr hautnah erlebt zur Premiere von "Fegefeuer in Ingolstadt".
"Da gibt's am Ende dieses Gebet, was sich so hochschaukelt und nach dem vierten Mal haben es die Leute nicht mehr ausgehalten, haben angefangen, 'Buh' zu rufen und wegzulaufen, und dann sind andere Leute dagegen angegangen. Einer hat gerufen 'wenn Sie das nicht aushalten, was machen Sie dann überhaupt hier!' und eine Frau hat vom Balkon gerufen: 'Was für eine Scheiße ist das hier.' "
Was niemand aus dem Publikum wusste: Die Regisseurin saß die ganze Zeit im Zuschauerraum.
"Mittendrin und meine Eltern saßen zwei Reihen vor mir, und die gehen jetzt nicht so oft ins Theater, und mein Vater saß zwischen lauter Männern, die die ganze Zeit 'buh' gerufen haben und der hat dann - das hab ich gehört - 'hurra' gerufen."
Susanne Kennedy wuchs in der badischen Provinz in Tuttlingen auf. Ihr Vater ist Engländer. Ihre Eltern lernten sich kennen, als Susannes Mutter als Au-pair-Mädchen in Großbritannien lebte. Mit Theater hat niemand in der Familie etwas zu tun.
"Mein Vater hat 'ne Nachhilfe-Schule, meine Mutter ist Lehrerin, der ganze Rest der Familie ist Lehrer."
Erst in Amsterdam kam sie auf die Idee, Regisseurin zu werden
Kennedy studierte Theaterwissenschaften in Mainz und Frankreich, auf die Idee sich für das Fach Regie zu bewerben, kam sie erst nach ihren Umzug in die Niederlande. Ein Umzug, genau wie bei ihrem Vater vor über 30 Jahren.
"Wegen der Liebe. Bin dann nach Amsterdam, weil ich da jemanden kennengelernt hab."
Ihr Freund ist inzwischen ihr Ehemann und in ihrer Wahlheimat gehört Kennedy mittlerweile zu den angesagtesten Regisseuren. "Ihre Inszenierungen würden an Installationen erinnern", schreiben Kritiker immer wieder. In "Fegefeuer in Ingolstadt"
-"Ich hab' das gelesen , und das war wie ne Art Fiebertraum."-
kreiert Kennedy - Licht aus, Licht an - immer wieder "neue lebende Bilder". Die Schauspieler agieren, als würden sie neben sich stehen. Ihr Text kommt vom Band.
"Für mich ist die Geschichte nur ein kleiner Teil dessen, was da passiert", sagt Kennedy.
"Ich würd' die Zuschauer am liebsten hypnotisieren, in was mitreißen"
"Ich versuch' den Zuschauer auch in einen Zustand zu bringen. Manchmal denke ich, ich würd' die Zuschauer am liebsten hypnotisieren, in was mitreißen, dass sie danach gar nicht mehr wissen, wie lange hat das jetzt eigentlich gedauert, was war das jetzt eigentlich?"
Etwas, was eine Auszeichnung verdient, meinten auf jeden Fall die Juroren des diesjährigen Theatertreffens und haben die Inszenierung nach Berlin eingeladen. Die Redaktion von "Theater heute" hatte Kennedy schon 2013 zur Nachwuchsregisseurin des Jahres gewählt und nun bekommt sie den "3sat-Theaterpreis" verliehen. Ist Susanne Kennedy mit ihrer Karriere zufrieden?
"Ich hab' gedacht, jetzt fängt es erst an. Geschafft überhaupt nicht!"
Susanne Kennedy und das Theater – diese Geschichte ist noch lange nicht zu Ende:
"Am liebsten wär es mir, wenn ich auch noch die Geschmacksnerven der Zuschauer erreichen könnte oder Tastsinn!"
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