Regisseur Markus Imhoof über "Eldorado"

Die Flüchtlinge zeigen, aber nicht bloßstellen

Markus Imhoof begibt sich auf Spurensuche, eine Reise in die eigene Vergangenheit.
Markus Imhoof begibt sich auf Spurensuche, eine Reise in die eigene Vergangenheit. © © Majestic/zero one film / Peter Indergand
Markus Imhoof im Gespräch mit Ute Welty · 22.02.2018
Die Erinnerungen an seine Freundschaft mit dem italienischen Flüchtlingskind Giovanna bewegen Filmemacher Markus Imhoof dazu, sich mit der aktuellen europäischen Flüchtlingspolitik zu beschäftigen. Das Ergebnis ist eine leise mahnende Dokumentation, die nun auf der Berlinale gezeigt wird.
Für die Dreharbeiten begleitet Imhoof die italienische Küstenwache bei einem Schiffseinsatz der Mission Mare Nostrum. "Das Schwierigste war, den Flüchtlingen auf dem Boot in die Augen zu schauen. Weil jeder Blick auch eine Einladung ist, dass man eine Frage oder Bitte stellen kann. Und ich konnte und durfte ja keine Einzelhilfen leisten." Die Arbeiten seien ein ständiger Zwiespalt gewesen: Wie nah rangehen an die Menschen? Wie zeigen, ohne auszustellen? Ohne bloßzustellen?
Imhoofs Film zeigt auch: Nach der Ankunft in Europa wartet nicht etwa das Paradies. "Das hier ist kein Leben, es ist nicht mal Überleben", sagt einer der Betroffenen in der Dokumentation. So unterhält die Mafia in Italien ein Ghetto, in dem sie Abgewiesene oder jene, die noch auf einen Bescheid warten, auffängt und illegal für 15 Euro am Tag in der Landwirtschaft einsetzt. "Wir essen dann auf unserer Pizza oder unseren Spaghetti Tomatensaucen, die eigentlich von Sklaven geerntet worden sind."

Keine Krise, sondern ein Zustand

Die Flüchtlingspolitik in seinem Heimatland Schweiz, wo Geflüchtete zum Teil in Bunkern untergebracht werden, beschreibt Imhoof so: "Da wird unter dem Segel von Menschlichkeit eigentlich Abschreckung betrieben. Das Ziel ist, dass es möglichst wenige sind und man sie möglichst wieder loswird."
Das Wort Flüchtlingskrise sei die eigentlich größte Täuschung, sagt Imhoof. "Es ist keine Krise, es ist ein Zustand, der andauern wird und der noch zunehmen wird. Jetzt kommen die Klimaflüchtlinge. Diese Verwerfungen werden zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen und die Verantwortung für die Veränderung des Klimas ist eindeutig bei uns."
Bei der Premiere des Films auf der Berlinale werden rund 1.600 Zuschauer im Saal sitzen. "22 solche vollen Theater sind umgekommen auf dem Weg nach Europa. Warum kann ich überall hinreisen auf der Welt?", fragt Filmemacher Imhoof. "Weil ich privilegiert und weiß und reich bin. Und die anderen, die stören nur." (luc / bth)
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