Regisseur kritisiert Wagner-Festspiele

"Keine künstlerischen Visionen mehr"

Das Festspielhaus in Bayreuth
Das Festspielhaus in Bayreuth © Deutschlandradio / Susanne Lettenbauer
Hans Neuenfels im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 25.07.2016
Heute beginnen die Wagner-Festspiele in Bayreuth. Für den Regisseur Hans Neuenfels ist das Festival inzwischen ein Ärgernis. Im Deutschlandradio Kultur rechnet er mit der Festspielleitung ab und prophezeit eine düstere Zukunft für die Spiele.
Der Regisseur Hans Neuenfels hat mit den Bayreuther Festspielen abgerechnet. Im Deutschlandradio Kultur sagte er, Bayreuth löse sich, wenn es so weitergehe, auf die Dauer in seiner Bedeutung auf.
Neuenfels sprach im Zusammenhang mit der Festspielleitung von "Unfähigkeit", "Präpotenz" und "Privatismen". Das sei schade für einen "so kostbaren Ort wie Bayreuth".
Besonders griff Neuenfels Katharina Wagner an: Sie schaffe es scheinbar nicht, Bayreuth auf dem Niveau zu halten, das man erwarten müsse. Es gebe inzwischen viele Wagner-Aufführungen an anderen Orten, die besser seien als die in Bayreuth.
Der Opernregisseur und Schriftsteller Hans Neuenfels
Der Opernregisseur und Schriftsteller Hans Neuenfels© Deutschlandradio / Torben Waleczek
Hier gebe es "keine künstlerischen Visionen und Sensationen mehr". Der Sinn der Festspiele seien aber "Aufführungen, die glühen, die etwas bedeuten", betonte Neuenfels.

Das Gespräch im Wortlaut:

Liane von Billerbeck: Bayreuth wird anders werden in diesem Jahr nach den Anschlägen von München und vor allem im fränkischen Ansbach gestern Abend. Weder Staatsempfang noch roten Teppich wird es geben, aber es wird Dinge geben und gab es schon, die kennen wir von den Richard-Wagner-Festspielen – jede Menge Krach.
Erst wurde der Künstler Jonathan Meese als Regisseur geschasst, der ja zuletzt vor allem mit dem zur Kunstaktion deklarierten Hitlergruß auf sich aufmerksam gemacht hatte. Dann schmiss der Dirigent Andris Nelsons hin drei Wochen vor der Premiere des "Parsifal". Uwe Eric Laufenberg hat als Regisseur übernommen und Hartmut Haenchen, der 73-jährige Dirigent, gibt sein Bayreuth-Debüt.
Der Opernregisseur Hans Neuenfels kennt Bayreuth bestens. Seine Inszenierung des "Lohengrin", bei der er 2010 den Chor in Rattenkostüme steckte mit wackelnden Gummifüßchen, war damals ein Skandal und ist heute Kult. Mit ihm habe ich vor der Sendung gesprochen und ihn gefragt, ob die Welt auf dem grünen Hügel damals noch in Ordnung war, als er den "Lohengrin" inszeniert hat und die Leute sich aufregten, aber eben über das, was auf der Bühne geschah, und nicht über den Zoff vorab.

Andris Nelsons: Kreativ, produktiv, neugierig, witzig, hochbegabt

Hans Neuenfels: Das kann man sagen, es war eine sehr aufregende und auf die Zukunft hin gesehene neugierige Welt, die dort war, sehr locker und sehr enthusiastisch, und auch der "Parsifal" mit Stephanie Hanf, der im zweiten Jahr lief, war eine wunderbare Veranstaltung. Also es harmonierte auch mit Andris Nelsons natürlich, es harmonierte alles sehr gut, auch noch mit der Leitung mit Frau Pasquier und Katharina Wagner damals. Es war eine Hoffnung, dass der grüne Hügel wirklich grün in eine Zukunft gehen würde.
Billerbeck: Dass ein Dirigent hinschmeißt so kurz vor der Premiere, das ist ja schon ein ziemlich einmaliger Vorgang. Sie kennen – Sie haben es eben erwähnt – ja Andris Nelsons, der hat in Ihrer "Lohengrin"-Inszenierung 2010 am Pult gestanden. Wie haben Sie ihn erlebt in der Zusammenarbeit?
Neuenfels: Na ja, er war nicht nur kreativ und produktiv und sehr jung und hochbegabt und neugierig und witzig. Also es gibt kein Wort an Sympathie, was ich da vergessen möchte. Es gibt überhaupt gar keinen Zweifel, dass das einer der begabtesten Dirigenten ist, die wir haben, und der weiß genau, was er tut und was er tun kann und tun darf, um sich nicht zu beschädigen. Das ist doch selbstverständlich. Er hat ein hohes Verantwortungsgefühl und gleichzeitig mit dem Moment, das den Beruf ausmacht, nämlich einer Begeisterung.
Billerbeck: Als Sie hörten, Nelsons schmeißt hin, was haben Sie da gedacht?

Bayreuth schafft sich langsam selbst ab

Neuenfels: Na ja, ich habe die ganze Zeit … ist mein Verhältnis zu Bayreuth wie das eines Abonnenten, wo ich denke, das stülpt sich immer mehr nach außen, und es ist aufgehängt an kleinen Sensationen, und die Sache, die wirklich toll sein könnte, nämlich, dass das dort stattfinden müsste, das sind ja diese Opern von Wagner in einer hohen Konzentration, die immer mehr aufgeweicht werden. Ich würde es aber viel wirksamer … durch Machtgefühle, durch Unfähigkeit, durch Präpotenz, durch Privatismen, und das ist natürlich sehr schade für einen so kostbaren Ort wie Bayreuth, und das müsste man ja immer mehr addierend sehen, dass sich Bayreuth, wenn es so weitermacht, auf die Dauer ohnehin auflöst, also ich meine als Bedeutung.
Billerbeck: Präpotenz, Privatismen – wen meinen Sie da besonders?
Neuenfels: Ich meine da die Beteiligten, die müssen wir ja nicht mit Namen nennen. Die kennen wir ja alle. Es gibt ja nur drei oder vier.
Billerbeck: Unter anderem Christian Thielemann.

Katharina Wagner kann das Niveau nicht halten

Neuenfels: Auch (…). Man muss es ja benennen. (Katharina Wagner) schafft es scheinbar nicht, die Sache, die am Anfang in eine gewisse Glühnis kam, weiter auf dem Niveau zu halten, das man dort erwarten müsste. Es gibt ganz viele Wagneraufführungen in anderen Theatern inzwischen, die alle besser sind als die dort.
Die Leiterinnen der Bayreuther Festspiele, Katharina Wagner (r.) und Eva Wagner-Pasquier sitzen am 25. Juli 2013 in Bayreuth (Bayern) bei einer Pressekonferenz vor Beginn der Bayreuther Festspiele zusammen.
Katharina Wagner© picture alliance / dpa / Tobias Hase
Billerbeck: Das heißt, wenn ich Ihnen zuhöre, dann ist das mehr als ein Kratzer im Lack, was da durch den Weggang von Andris Nelsons …
Neuenfels: Das ist kein Kratzer im Lack, das ist ja eine Anhäufung. Wenn Sie die ganzen letzten Jahre betrachten, ist das ja eine Anhäufung von Missfällen und von Äußerungen um die Personen herum, die den Kern einer Sache nicht mehr treffen. Es gibt ja keine künstlerischen Visionen oder Sensationen mehr, die aus der Sache selbst entstehen.
Dafür ist natürlich Bayreuth angetreten, und das ist ja auch der Sinn dieses Ortes, überhaupt der Festspiele. Das erlebt man ja auch zum Teil in Salzburg noch, dass das Aufführungen sind, die glühen, die etwas bedeuten, die etwas mehr sind als Gang und Gäbe.
Wenn man das also dann noch weiter verfolgt – also die "FAZ" schrieb am Samstag, "Bedenken gegen Mitarbeiter der Bayreuther Festspiele", ich zitiere wörtlich: "Die Polizei hat gegen 35 Mitarbeiter der Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth Sicherheitsbedenken geltend gemacht. Nach Überprüfung der Personalien der entsprechenden Personen sei die Empfehlung ergangen, diese nicht in sicherheitsrelevanten Bereichen einzusetzen. Das teilte ein Sprecher der Polizei Oberfranken mit, die Betroffenen seien im polizeilichen System registriert, vorwiegend aufgrund von Gewaltdelikten."

"Das ist ja alles grotesk"

Man muss sich das mal bitte vorstellen. Innerhalb der Sache der Menschen des Campus selbst, werden Leute engagiert oder beschäftigt, die das ausdrücken, was dort geschrieben steht. Das ist ja alles grotesk.
Billerbeck: Da fragt man sich am Ende, werden die Festspiele zum Museum ihrer selbst, und wo ist da überhaupt der Punkt, wo man ansetzen müsste, um Bayreuth zu erneuern, denn das ist ja dringend nötig, wenn ich Ihnen zuhöre.
Neuenfels: Ich denke ganz sicherlich, dass die Zeit gekommen wäre, wäre das Land und wäre die kulturelle Verantwortung, Gruppe, die dafür zuständig ist, müsste sich ja (…) … Addition der Umstände, die passiert sind, würde ich echt überlegen, wie die sich vorstellen, wie das weiterläuft. Das ist ja auf keinen Fall, nach meiner Meinung, von den Unpässlichkeiten der Groteske bis zu der beschädigten Sache selbst, würdig auf die Dauer zu halten.
Billerbeck: Hans Neuenfels war das, der Regisseur hier im Deutschlandradio Kultur vor Beginn der Bayreuther Festspiele. Ich danke Ihnen!
Neuenfels: Ich danke Ihnen ebenfalls!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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