Regenbogenbinden bei Olympia

"Es ändert de facto nicht sehr viel"

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Regenbogenfahnen wehen auf einer Demonstration.
Der Sport habe enorme Probleme, mit Menschen umzugehen, die nicht in die Kategorie männlich/weiblich passen, meint Gunter Gebauer. © dpa-Zentralbild / Jens Kalaene
Gunter Gebauer im Gespräch mit Gesa Ufer · 24.07.2021
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Der Philosoph und Sportwissenschaftler Gunter Gebauer begrüßt, dass das IOC das Regenbogenabzeichen bei den Spielen in Tokio erlaubt. Große Hoffnungen, dass sich dadurch die Lage von sexuellen Minderheiten im Sport verbessert, hat er aber nicht.
Was bei der Fußball-EM für heftige Diskussionen sorgte, geht bei den Olympischen Spielen problemloser: Das IOC erlaubt Regenbogenabzeichen. Der Philosoph und Sportsoziologe Gunter Gebauer begrüßt, dass sich das IOC mit diesem Zeichen schützend vor sexuelle Minderheiten stelle und klar mache, auch gegenüber seinen vielen Mitgliedsländern, in denen Homosexualität verboten sei: Diese Menschen gehören zu uns.
Allerdings ändere sich durch ein solches Zeichen de facto nicht viel, befürchtet der Philosoph. Zum einen habe das durchschnittliche Sportpublikum Probleme damit, Menschen anzuerkennen, die in seinen Augen nicht der Norm entsprächen.
"Wir sehen das mit schwulen Fußballern. Wir haben einen einzigen bekannten Fußballer, der sich – nach Beendigung der Karriere – als schwul geoutet hat, der hoch angesehen ist und durchaus sein Wort zu sagen hat", so Gebauer. "Trotzdem haben andere – wie Manuel Neuer und zwei, drei andere Mannschaftskameraden – höchstens mal ein Emblem gezeigt, aber ganz diskret."

Wer darf bei Frauenwettbewerben teilnehmen?

Auch der Sport selbst habe "enorme Probleme", mit Menschen umzugehen, die nicht in die Kategorie männlich/weiblich hineinpassten, betont der Philosoph mit Blick auf die Einteilung in Männer- und Frauenwettbewerbe:
"Es gibt Männer und Frauen und dazwischen gibt es nichts. Und das ist das Problem. Es gibt natürlich auch queere Teilnehmer, die dann bei den Frauen starten wollen: Die Geschlechtsumwandler beziehungsweise die, die andere Hormonspiegel haben als die Mehrheit der Menschen. Und die sich als Frau erklären - und auch erklärt werden können - und dann bei den Frauenwettbewerben mitlaufen wollen."
Semenya trägt ihr Lauftrikot und lächelt.
Caster Semenya bei einem Wettkampf in den USA (2019)© dpa/picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Jeff Chiu
Eine Caster Semenya etwa, "die dann gut und gerne 50 Meter vor dem Feld der anderen Frauen herläuft, was wiederum die Frauen ein bisschen ins Entsetzen treibt", so Gebauer mit Blick auf die südafrikanische Läuferin, deren Geschlechtszugehörigkeit sogar den internationalen Sportgerichtshof CAS beschäftigte. "Dieses Problem ist bis heute nicht gelöst worden", betont der Sportphilosoph.

Gunter Gebauer ist Philosoph, Sportwissenschaftler und Linguist. Seine Veröffentlichungen decken ein breites Spektrum ab: von "Wittgensteins anthropologischem Denken" über die "Poetik des Fußballs" bis zu "Sprachen der Emotion". Bis zu seiner Emeritierung 2012 lehrte Gebauer Philosophie an der Freien Universität Berlin.

(uko)
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