Das Recycling-Dorf in Esch

Mit alten Materialien in die Zukunft

06:30 Minuten
Blick auf ein Gebäude mit Seecontainer und Miscanthusgras-Isolierung
Innendrin Schiffscontainer, außen Miscanthusgras-Isolierung: "Die Isolation bei den Gebäuden ist eine der markanten Problemzonen", erklärt Georges Kieffer. © Deutschlandradio / Anke Schaefer
26.04.2022
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Wer klimaneutral wirtschaften will, muss die Kreisläufe in Gang bringen. Genau das passiert im luxemburgischen Esch-sur-Alzette. Im Benu Village mitten im Stadtkern werden nur Materialien verbaut, die aus Abfall oder natürlichen Rohstoffen bestehen.
Ein schon von Weitem auffallendes Haus auf einem Parkplatz inmitten von Esch-sur-Alzette. Schiefe Fenster, auf den Wänden bunte Mosaike aus Kronkorken und alten Vinyl-Platten. Oben, über unseren Köpfen hängt ein rostiges Schild: „Be-Nu“ steht drauf. So heißt das Öko-Stadtviertel, das hier entsteht.
Georges Kieffer, Gründer und Leiter des Pilotprojektes, nennt es: „Be New“-Village.
"Wir nennen es bewusst ‚Be new‘: Sei neu!. Es wird einfach nur mit den vier Buchstaben geschrieben, aber deshalb sehen wir auch, dass wir das Logo in zwei Zeilen aufteilen, sodass man das ‚Be new‘ leichter über die Lippen bekommt“, erzählt er.
„Benu kommt aus dem Ägyptischen: Das ist der Vorfahre von unserem bekannten Phönix-Vogel, wird immer zusammen mit dem Pharao in den Pyramiden abgebildet und repräsentiert das ewige Leben, den ewigen Kreislauf."

Die luxemburgische Regierung überzeugt

Georges Kieffer hat als Betriebswirt seine Abschlussarbeit über Abfall geschrieben. Was man aus Abfall machen kann, dieses Thema hat ihn schon immer interessiert. Um seine Vision vom Recycling-Dorf zu verwirklichen, hat er die Luxemburger Regierung davon überzeugt, dass ein solches doch gut ins Konzept der Kreislaufwirtschaft passen würde.
Ein buntes Recycling-Mosaik im Benu Village
Buntes Detail im Benu Village: ein Mosaik aus alten Dosen und Vinyl-Platten.© Deutschlandradio / Anke Schaefer
Alle Gebäude würden aus recycelten Materialien oder abbaubaren Naturfasern bestehen! Die Regierung reagierte nicht gerade enthusiastisch. Sie unterschrieb aber eine Absichtserklärung, dass sie sein Projekt fördern würde, wenn sich eine Stadt fände, die ihm ein Gelände zur Verfügung stellen würde.
Also lief Georges Kieffer mit seiner Idee von Stadt zu Stadt – und bekam schließlich eine Zusage von der Stadt Esch an der französischen Grenze. Nur 2000 Quadratmeter ist das Areal groß, aber Kieffer will sich nicht beschweren.

Natürlich hätten wir uns gefreut über noch mehr Gelände, aber wir kennen alle die Immobilien- und Geländesituation und hier sind wir sehr glücklich, dass uns die zweitgrößte Stadt Luxemburgs ein Gelände zur Verfügung stellt, das recht groß ist, sehr nah am Zentrum liegt und auch noch zwei Viertel verbindet, die bisher weniger entwickelt waren.

Georges Kieffer

Auf diesen 2000 Quadratmetern entsteht nun kein Wohnraum, es entstehen Arbeitsorte. Eine Schreinerei, in der Altholzmöbel zerlegt und zu neuen Möbeln gemacht werden. Ein Restaurant, in dem Lebensmittel wiederverwertet werden und - eine Schneiderei, in der aus Altkleidern junge Mode gemacht wird. Vor diesem Rohbau stehen wir gerade.

Eine Problemzone und ihre natürliche Lösung

Innendrin sind Schiffscontainer, die eingeschmolzen werden sollten, das heißt, sie haben ihren Dienst getan", erklärt er. Seecontainer geben Struktur. Das Problem ist nur: Sie sind aus Metall und müssen also gegen Kälte und Wärme gut isoliert werden.
Georges Kieffer isoliert sie mit einer Schicht aus mit Kalk vermischtem Miscanthusgras. "Die Isolation bei den Gebäuden ist eine der markanten Problemzonen und mit Miscanthus haben wir eine ideale Lösung gefunden. Es gibt keinen Deut an Chemie an dieser Isolation."
Er deutet zufrieden zurück auf das bunte Gebäude auf dem Parkplatz, das auch schon mit Miscanthus gebaut wurde und inzwischen vier Jahre steht.
"Dieses Gebäude ist das erste Zero-Waste-Gebäude hier in der Region. Das heißt, man kann es als solches wieder in die einzelnen Komponenten zerlegen und die Isolation kann man nachher als Biodünger auf die Felder streuen“, erzählt er.
Georges Kieffer und Carlo Posing posieren auf der Baustelle für ein Foto.
Georges Kieffer und Carlo Posing sind Kooperationspartner bei der Isolierung der Gebäude im Benu Village.© Deutschlandradio / Anke Schaefer
Miscanthusgras ist eine Energiepflanze aus Asien. Georges Kieffer arbeitet für diese neue Art der Isolierung mit Carlo Posing zusammen, IT-Unternehmer und Miscanthusgras-Händler. Posing, der dafür sorgt, dass inzwischen Bauern in ganz Luxemburg das Schilfgras anbauen, ist auch auf die Baustelle in Esch gekommen.
"Miscanthus ist ein Schilf, ein Landschilf, das ohne Dünger und ohne Pestizide auskommt. Jedes Jahr kommt eine Ernte, man muss es aber nicht jedes Jahr pflanzen", erläutert er. Ein Schleifgeräusch fährt Carlo Posing ins Wort.

Ein Dorf als Statement

Georges Kieffer erklärt: "Hier hören wir die Arbeiten der Schreinerei. Benu ist dabei eine Schreinerei zu entwickeln, bei der es darum geht, zum Beispiel aus Deutschland die mehr als 7,1 Millionen Tonnen von Altholzmöbeln, die jedes Jahr weggeschmissen werden aufzufangen, auseinanderzunehmen. Wir nehmen das Material als Primärressource, um neue Möbel zu entwickeln und in hoher Qualität herzustellen."
Das ganze Dorf will Georges Kieffer als Statement verstanden wissen. "Wir möchten zeigen, dass es Spaß machen kann! Dass diese Nische von Upcycling, Re-use, Öko, von ‚natürlich‘, dass das sehr hochwertig, angenehm, attraktiv sein kann“, sagt er.
„Dass das vielleicht soweit inspiriert, dass man sich sagt: Das kann ich auch zu Hause. Ich kann das attraktivste Badezimmer meines Stadtviertels bauen und es kostet mich materialmäßig nichts und es kostet mich zwei Kisten Bier, weil ich es gemeinsam mit meinen Freunden mache."
Als Erstes soll hier das Restaurant eröffnet werden, noch dieses Frühjahr. Und dann: nach und nach das ganze Dorf.

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