Rechtspopulistische Bücher in Bibliotheken

Im Zweifel für die Meinungsfreiheit

Eine junge Frau steht auf einer Treppe in einer Bibliothek.
In Bibliothekskreisen wird das Thema Umgang mit rechtspopulistischen Büchern seit längerem intensiv und kontrovers diskutiert. © Unsplash / Alexandr Bormotin
Susanne Brandt und Hermann Rösch im Gespräch mit Andrea Gerk · 03.01.2019
Sollen Büchereien die Werke rechtslastiger Autoren aus ihren Beständen entfernen? Der Kommunikationswissenschaftler Hermann Rösch hält davon wenig. Denn dann müsste auch Richard Wagner aus den Bibliotheken raus: "Der war Antisemit."
Zum Beispiel Akif Pirinçci und Thilo Sarrazin: Verschwörungstheoretische oder rechtspopulistische Bücher werden immer populärer und tauchen inzwischen häufig auf Bestsellerlisten auf. Öffentliche Bibliotheken stellt das vor ein Problem: Wie sollen sie mit diesen Werken umgehen? Sollen sie sie ihren Nutzern zur Verfügung stellen? Oder müssen sie es gar?

Das klassische ethische Dilemma

Der Informations- und Kommunikationswissenschaftler Hermann Rösch (TH Köln) sieht die Bibliotheken hier in einem klassischen ethischen Dilemma: "Bibliotheken sollen frei von Zensur sein, sollen Meinungs- und Informationsfreiheit garantieren, sollen die informationelle Grundversorgung sichern, sollen sich aber auch an der Stärkung des demokratischen Systems beteiligen und Menschenwürde jedenfalls achten", sagte er im Deutschlandfunk Kultur.
Das erfordere von den Bibliotheken immer wieder einen Balanceakt - bei dem im Zweifel jedoch die Meinungs- und Informationsfreiheit Vorrang haben müsse: "Wer sollte sonst das Potenzial und die Macht haben zu sagen, dies ist der grüne Bereich und diese oder jene Aussage darf man nicht mehr publizieren. Das grenzt dann an Zensur aus meiner Sicht und würde dazu führen, dass Bibliotheken eine paternalistische Entmündigung im Sinne eines Obrigkeitsstaates vornehmen würden."

"Wollen wir Bismarck aus den Bibliotheken entfernen?"

Um der Freiheit willen müsse man in Kauf nehmen, dass auch Aussagen, die einem innerlich zuwider seien, in Bibliotheken repräsentiert würden, betonte Rösch: "Wollen wir denn Richard Wagner aus den Bibliotheken entfernen? Der war Antisemit. Wollen wir die Memoiren von Bismarck aus den Bibliotheken entfernen? Der war nun definitiv ein Antidemokrat. Das Wichtige ist wirklich, die verschiedenen Welterklärungsmodelle nebeneinander zu stellen und die Möglichkeit zu geben, sich selbst ein Bild zu machen und zu dekonstruieren."
Bibliotheken und Bibliothekare dürften sich nicht als "Vorkoster" verstehen, die den Bürgern nur noch das präsentierten, was ihnen sinnvoll erscheine. "Das kann nicht der Weg sein", so Rösch.
Sarrazin trägt einen grauen Anzug und ein weißes Hemd.
Mit einem Faktencheck konfrontieren: So gehen einige Bibliotheken mit Thilo Sarrazins "Feindliche Übernahme" um.© imago stock&people
Man gebe den Bibliotheken beim Ankauf neuer Bücher aber Entscheidungshilfen, berichtete Susanne Brandt, Lektorin bei der Büchereizentrale Schleswig-Holstein. "Das heißt, wir helfen den Büchereien dabei, den großen Markt an Neuerscheinungen zu sichten, haben dann vielleicht etwas mehr Zeit, einen sehr genauen Blick in die Bücher zu werfen und geben Empfehlungslisten heraus, durchaus auch kritische Empfehlungslisten."
Generell plädiert Brandt dafür, umstrittene Titel zu kontextualisieren, sei es in Form von Diskussionsveranstaltungen oder indem man ihnen Gegenpositionen gegenüberstelle.
So habe beispielsweise nach dem Erscheinen von Thilo Sarrazins Buch "Feindliche Übernahme" die Universität Frankfurt von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen einen "Faktencheck" erstellen lassen. "Die haben sich einfach sehr konstruktiv und fair mit einigen Thesen dieses Buches auseinandergesetzt und die sozusagen widerlegt in vielen Bereichen und in einer sehr sachlichen, informierenden Art einfach aufgezeigt, welche Schwächen dieses Buch auch hat. Und diesen Faktencheck haben wir zum Beispiel unseren Büchereien zur Verfügung gestellt."

Kann das Buch eines "rechten" Autors harmlos sein?

In Bibliothekskreisen wird das Thema Umgang mit rechtspopulistischen Büchern seit längerem intensiv und kontrovers diskutiert: So verabschiedete der Deutsche Bibliotheksverband bereits Anfang 2016 ein Positionspapier, in dem er sich dezidiert dagegen aussprach, umstrittene Werke prinzipiell aus den Bibliotheksbeständen auszuschließen.
Das Bild zeigt Akif Pirincci in seinem Haus in Bonn im Mai 2016.
Seit Ende 2015 nicht mehr mit seinen Werken in der Bibliothek Duisburg vertreten: der Schrifsteller Akif Pirincci.© imago / C. Hardt
Eine andere Position vertritt dagegen etwa der Leiter der Stadtbibliothek Duisburg, Jan-Pieter Barbian: Er ließ Ende 2015 alle Bücher des Autors Akif Pirinçci aus dem Bibliotheksbestand entfernen, nachdem dieser wiederholt durch rechtsradikale, islamfeindliche und homophobe Kommentare öffentlich in Erscheinung getreten war. Davon betroffen waren auch die Katzenkrimis, mit denen Pirinçci seit Ende der 1980er Jahre äußerst erfolgreich gewesen war.
Es gebe keine Trennung zwischen dem Autor "harmloser" Katzenkriminalromane und dem Autor politisch fragwürdiger Sachbücher, begründete Barbian seinen Schritt in der Fachzeitschrift Forum Bibliothek und Information: "Es handelt sich hier nicht um einen Fall von Zensur, sondern um einen notwendigen und berechtigten Eingriff in das Buchangebot einer Öffentlichen Bibliothek. Sie hat ihre Aufgaben in einer die Grund- und Menschenrechte vertretenden und verteidigenden Demokratie aktiv wahrzunehmen und wird diese Verantwortung in Zukunft noch wesentlich entschiedener übernehmen müssen, als dies bislang erforderlich war."
(uko)
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