Rechtextremismus bei der Polizei

Gefahr des Dominanz- und Überlegenheitsdenkens

09:18 Minuten
Einsatzkräfte der Polizei stehen auf einem Hang am Jagdschloss Waidmannsheil, während der Durchsuchung durch die Polizei.
Razzia gegen die „Reichsbürger“-Szene im thüringischen Saaldorf: Die Einsatzkräfte waren auch auf der Suche nach Polizisten und Soldaten. © picture alliance / dpa / Bodo Schackow
Panajotis Gavrilis und Rafael Behr im Gespräch mit Nicole Dittmer |
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Eine Gruppe von „Reichsbürgern“ wollte sich mutmaßlich an die Macht putschen, mit dabei waren auch Polizisten und Soldaten. Warum wenden sich Menschen gegen den Staat, den sie eigentlich schützen sollen? Antworten vom Politologen Rafael Behr.
Nach den Razzien in der vergangenen Woche beschäftigen sich nun der Rechts- und der Innenausschuss des Bundestages in Sondersitzungen mit den sogenannten „Reichsbürgern“. Die Abgeordneten wollen unter anderem wissen, warum ausgerechnet Polizisten und Soldaten unter den verhinderten Putschisten waren, die den Reichstag stürmen wollten, also Personen, die qua Amt Staat und Bürger eigentlich schützen sollen.
Der Politologe Rafael Behr von der Akademie der Polizei Hamburg sieht die Polizei in dieser Frage anders aufgestellt als die Bundeswehr. Die Polizei sei kein Eldorado für „Reichsbürger“, betont er, „beim Militär ist das etwas anderes“. Letztlich sei bisher im Polizeiapparat nur „eine Handvoll“ Beamtinnen und Beamte identifiziert worden, die der Szene angehören.

Die Welt der Normen

Polizisten als auch Soldaten hätten eine eher konservative Grundeinstellung und lebten in einer Welt der „Normanerkennung“, sagt Behr. Daraus könne schnell autoritäres „Dominanz- und Überlegenheitsdenken“ werden.
Dass solche Beamte Zugang zu Waffen haben, sieht der Politikwissenschaftler nicht als vorrangiges Problem. Polizisten seien an Waffen längst nicht so geschult wie beispielsweise Mitglieder der militärischen Elitetruppe KSK. Wirklich gefährlich sei vielmehr ihr Zugang zu Informationen. Denn neben dem Gewalt- habe die Polizei auch ein Informationsmonopol.
Dass Polizisten manchmal in rechte Kreise abdriften, dafür gibt Behr eindeutig den Strukturen die Schuld, in denen sie sich bewegen. „Niemand geht zur Polizei und ist ‚Reichsbürger‘“, sagt er. Die Gefahr komme aus dem System, das solche Umtriebe nicht erkennen wolle und stoppe. Immerhin: Behr kann auch den Versuch eines Kulturwandels bei den Polizeibehörden erkennen. Doch der gehe langsam vonstatten.

Mehr Mitwisser als bisher bekannt

Derweil gibt es neue Informationen über die mutmaßlichen Verschwörer. Die vergangene Woche ausgehobene „Reichsbürger“-Gruppierung hatte offensichtlich deutlich mehr Mitwisser als bislang bekannt. Mitglieder des Rechtsausschusses des Bundestags berichteten in Berlin, die Ermittler hätten eine dreistellige Zahl sogenannter „Verschwiegenheitserklärungen“ gefunden.
Nach Angaben der Abgeordneten habe die Gruppe geplant, bundesweit mehr als 280 „Heimatschutzkompanien“ zu bilden. Diese hätten im Falle eines Umsturzes Gegner „festnehmen und exekutieren“ sollen, hieß es.
„Reichsbürger“ sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Die Bundesanwaltschaft hatte 25 mutmaßliche „Reichsbürger“ festnehmen lassen. 22 von ihnen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein. Darüber hinaus gibt es in dem Ermittlungsverfahren weitere 27 Beschuldigte.
(ahe/dpa)
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