Niggemeier über "Reichsbürger"-Razzia

"Journalisten sind nicht die PR-Abteilung der Behörden"

09:27 Minuten
Der Medienjournalist Stefan Niggemeier hat ein Ansteckmikrofon im dichten, grauen Bart.
Kamerateams beim Zugriff der Polizei bergen immer die Gefahr des Voyeurismus, sagt Stefan Niggemeyer. © imago images / Sven Simon / Malte Ossowski
Stefan Niggemeier im Gespräch mit Vladimir Balzer · 08.12.2022
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Die Berichterstattung über die "Reichsbürger"-Razzia wirft Fragen auf: Wie konnte so schnell und ausführlich reagiert werden? Gab es Absprachen mit den Ermittlern? Medienjournalist Stefan Niggemeier empfiehlt, Distanz zu Behörden zu wahren.
Es war der bislang größte Schlag gegen die "Reichsbürger"-Szene: 3000 Polizeibeamte durchsuchten Häuser im gesamten Bundesgebiet und in Italien und Österreich. Dabei wurden 25 Personen festgenommen.
Die Medien reagierten erstaunlich schnell: Schon vor der Eilmeldung von dpa um 7.39 Uhr gab es die ersten Meldungen. Der Rechercheverbund von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" verschickte bereits um 7.30 Uhr eine Pressemitteilung mit vielen Informationen über die Razzia, der "Spiegel" folgte kurz darauf. "Zeit" und "Welt" warteten rasch mit Hintergrundberichten auf. "Wieso haben die das alles schon?", fragt sich der Journalist Stefan Niggemeyer vom Medienmagazin "Übermedien".

Teils eigene Recherchen

Zum Teil gibt Niggemeier Entwarnung: Viele Medien sagen überzeugend, sie hätten schon vor dem Zugriff der Polizei durch eigene Recherchen Bescheid gewusst. "Es gab jetzt nicht einen, der das durchgestochen hat", sagt Niggemeier.
Da sich alle Beteiligten daran hielten, nichts vor der Razzia zu veröffentlichen, wurde auch kein Beschuldigter gewarnt. Allerdings hätten einige Journalisten bereits am Vorabend "kryptische Andeutungen" auf Twitter gemacht, sagt Niggemeier: "In dem Moment vermutlich nicht schlimm, ist aber auch nicht wirklich eine gute Idee", so Niggemeyer.
Trotzdem blieben für das Publikum Fragen: "Wieso wisst ihr das alles schon, wart ihr da irgendwie beteiligt? In welcher Weise gab es da eine Zusammenarbeit mit den Behörden oder eine Absprache", zählt Niggemeyer auf. Es sei nicht die Aufgabe von Journalisten, die PR-Arbeit für Behörden zu machen.

Es bleibt ein Geschmäckle

So bleibe nicht nur bei Verschwörungstheoretikern, sondern auch bei Wohlmeinenden ein Nachgeschmack. Der Umgang mit dieser Kritik sei bei jedem Medium unterschiedlich. Während die "Tagesschau" auf YouTube ausführlich ihre Berichterstattung erkläre, verwerfe der "Spiegel" jeden Vorwurf nach dem Motto "Das ist doch alles Quatsch, hat doch geklappt". "Das geht nicht mehr, weil inzwischen die Öffentlichkeit einen anderen Anspruch hat, Dinge transparent gemacht zu bekommen", sagt Niggemeier.
Auch dass die Razzien von Kamerateams begleitet wurden, kritisiert Niggemeier. Obgleich die Situation teilweise gefährlich waren, waren die Kollegen immer ganz dicht dran, sagt Niggemeier: "Das ist durchaus heikel." Natürlich sei die Razzia ein Zeichen, dass der Staat handelt, und es sei gut, dass das dokumentiert werde. "Aber es ist nicht immer klar, ob da auch die nötige Distanz ist. Oder bedienen wir nur irgendeine Form von Voyeurismus?", sagt Niggemeier.
(beb)

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