Studie zur Suchtbekämpfung

Aus den Erfahrungen von Ex-Raucher*innen lernen

06:50 Minuten
Eine einzelne Zigarette steht heruntergebrannt bis auf den Filter und noch qualmend aufrecht vor einem dunklen Hintergrund.
Endlich Nichtraucher? Gar nicht so leicht. Wer die Zigarette so weit runterbrennen lässt, ohne dran zu ziehen, hat es vielleicht geschafft. © Unsplash / Mathew MacQuarrie
Von Christine Westerhaus · 09.06.2022
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Nikotinpräparate erleichtern Menschen den Ausstieg aus der Sucht. Eine dauerhafte Lösung ist das aber nicht. Eine neue Studie befragt nun Ex-Raucher*innen nach ihren individuellen Erfahrungen bei der Entwöhnung. Davon sollen Aufhörwillige profitieren.
„Eigentlich ist die Verbrennungszigarette eine Loser-Droge - so würde ich das mal bezeichnen.“
Heino Stöver findet starke Worte. Er ist Direktor des Instituts für Suchtforschung an der „Frankfurt University of Applied Sciences“ und beobachtete trotzt des schlechten Images, dass insgesamt wieder mehr geraucht wird.
„Während der Corona-Pandemie, haben wir einen Anstieg der Raucherrate in Deutschland verzeichnen können von 28 auf 31 Prozent der erwachsenen Bevölkerung, die rauchen. Das ist natürlich geschuldet der Tatsache, dass es weniger soziale Kontrolle gibt, es mehr Homeoffice ist, dass man da von Rauchverboten befreit ist, und insofern ist eben ein starker und relativ großer Anstieg zu verzeichnen.”

Einfach "abgewöhnen" geht nicht

Dabei dürfte den meisten inzwischen klar sein, wie sehr Rauchen der Gesundheit schadet. Doch wer einmal damit angefangen hat, der kommt schwer von der Sucht los, sagt Daniel Kotz vom Institut für Allgemeinmedizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
„Die meisten fangen ja im jugendlichen Alter damit an und dann irgendwann vielleicht wenn man Ende 20 ist, Anfang 30 dann tritt doch die Einsicht ein, dass man damit eigentlich aufhören möchte und dann haben viele schon lange geraucht und dann merken sie, wie schwierig das ist, damit aufzuhören mit dem Rauchen.“
Denn einfach „abgewöhnen“ geht nicht. Das Nikotin, das in Zigaretten oder anderen Tabakprodukten enthalten ist, macht sehr schnell abhängig. Und ruft – ähnlich wie andere Drogen – Entzugserscheinungen hervor.
„Man schätzt so über den Daumen, dass von hundert Rauchstoppversuchen, die so spontan unternommen werden, ohne größere Unterstützung, dass davon 95 scheitern nach einem Jahr aufgrund dieser Entzugsymptomatik.“

Studie erforscht Arten der Rauchentwöhnung

Warum das so ist, will der Frankfurter Suchtforscher Heino Stöver nun genauer analysieren. Denn bislang fehlen diese wichtigen Daten. Gemeinsam mit seinem Team hat er einen detaillierten Fragebogen entworfen, den Raucher*innen und ehemalige Raucher*innen beantworten sollen.
„Das Ziel der Studie ist, mehr zu erfahren darüber, wie Menschen den Prozess der Raucherentwöhnung gestalten. Und da wir gesehen haben, dass die meisten Menschen diesen Prozess selbst organisieren, geht es uns darum, was genau ihnen geholfen hat im Ausstieg. Und zwar jenseits von den drei zentralen Gründen, die wir immer kennen: Schwangerschaft, Krankheit oder eben die Rauchverbote, die zunehmend auch in der Arbeitszeit erfordern, dass man sich ausstempelt. Also, das wissen wir. Das sind Motivatoren, die viele Menschen dazu bringen, das Rauchen aufzugeben oder zumindest darüber nachzudenken.“

Erfahrungesberichte sollen anderen helfen

Die Erfahrungsberichte sollen anderen Menschen helfen, den eigenen Rauchausstieg möglichst effektiv zu gestalten. Denn eine Maßnahme, die dem einem beim Ausstieg hilft, kann bei einem anderen völlig sinnlos sein. Ähnliches gilt für die eigene Motivation für den Rauchausstieg: Während manche Raucher*innen kein schlechtes Vorbild für ihre Kinder sein wollen, machen sich andere eher Gedanken um ihre Gesundheit. An solchen individuellen Lebensumständen müsse man andocken, weiß Heino Stöver.
„Wir wollen mit dieser Studie herausfinden, was die stützenden Umgebungsfaktoren sind. Und wenn wir das wissen, können wir das in präventive Botschaften ummünzen. Das heißt, daraus sollen eben lebensweltnahe, geschlechtsspezifische migrationsspezifische auf jeden Fall klare, zielgruppenspezifische Hinweise darauf entstehen, wie es gehen könnte oder wie es andere geschafft haben.“
In den Fragebögen sollen die Befragten deshalb nicht nur angeben, welche Rauchstopp-Methoden sie für den Ausstieg gewählt haben, sondern auch wenn ja, wie oft und woran sie gescheitert sind. Sie sollen darüber hinaus auch sagen, welche begleitenden Präventionsmaßnahmen sinnvoll sein könnten und mit welchen Schwierigkeiten am ehesten zu rechnen ist.

Rückfallsitutationen vermeiden helfen

Also konkret: wie sich Situationen vermeiden lassen, in denen man rückfällig werden könnte und wie sie sich am besten für neue Versuche motivieren lassen. Ausstiegswilligen Menschen müsse einfache und schnelle Hilfe angeboten werden, die auf unterschiedliche Charaktere und Lebenssituationen zugeschnitten ist.
„Gegenwärtig haben wir das nicht. Wer das Rauchen aufgeben möchte, kann sich bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ein Entwöhnungskit bestellen. Ein kleines Päckchen, in dem ein 100 Tage-Cartoon-Kalender enthalten ist und ein Kneteball und ansonsten sehr textlastige Hinweise darauf, wie schädlich das Rauchen ist und wie man es aufgeben sollte. Das ist immerhin etwas. Dieser Kneteball ist bestimmt hilfreich, weil das Haptische fällt ja weg bei der Raucherentwöhnung, dass man etwas in den Fingern hat. Gar keine Frage: Es ist besser als nichts, aber es ist nicht genug.”

Ersatzprodukte erleichtern den Ausstieg

Bisherige Studien haben klar gezeigt: Nikotinpräparate wie Tabletten oder Sprays, aber auch die E-Zigarette erleichtern vielen Menschen den Ausstieg, weil durch Tabletten etwa das Nikotin langsamer an den Körper abgegeben wird.
Allerdings sollten auch all diese Produkte nach ein paar Wochen wieder abgesetzt werden. Denn auch sie sind schädlich.
Seit Januar dieses Jahres übernehmen Krankenkassen die Kosten für solche Produkte in Einzelfällen. Allerdings nur bei Raucher*innen, denen "eine schwere Tabakabhängigkeit" bescheinigt wurde. Dass solche Ersatzprodukte beim Ausstieg helfen, zeigen Studien. Wer sie nutzt, hat die besten Chancen, auch langfristig rauchfrei zu bleiben.
„Die Methode der Wahl oder die Standard-Methode sollte eigentlich sein: Eine Kombination von Nikotinersatz-Produkten und kognitiv behaviorale Therapie, also Verhaltenstherapie, dass man abends in einen Nichtraucher-Kurs geht, von der Krankenkasse finanziert. Das ist die Methode der Wahl, die allerdings von wenigen Menschen nur genutzt wird. Insofern denke ich, dass wir stärker rein müssen in den selbstorganisierten Ausstieg, und dazu machen wir gerade die Studie RauS.“
Fast 3500 Fragebögen hat das Team um Heino Stöver bereits digital eingesammelt. Die Forschenden hoffen, insgesamt 10.000 Menschen nach ihren Erfahrungen beim Rauchausstieg befragen zu können.

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