Rassismus in Deutschland und in den USA

"Antirassismus ist kein Sprint, sondern ein Marathon"

15:56 Minuten
Alice Hasters lächelnd auf einer Bühne mit Mikrofon in der Hand.
Alice Hasters wünscht sich eine zukünftige tiefe Verankerung des Antirassismus im Alltag. © Oliver Schaper / imago-images
Alice Hasters im Gespräch mit Susanne Burkhardt · 03.06.2020
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Anlässlich der Proteste gegen Rassismus in den USA erinnert die Journalistin Alice Hasters daran, dass Rassismus auch für viele Menschen in Deutschland ein Teil des Alltags ist - und beklagt fehlende Anteilnahme hierzulande.
Auf ihrem Twitter-Account zeigt sich die Journalistin und Autorin des Buches "Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen", Alice Hasters, enttäuscht über das Schweigen vieler weißer Freundinnen und Freunde. Denn diese hätten sie nicht auf die Vorgänge in den USA angesprochen.
Da sie Verwandte in den USA habe, gebe es bei ihr eine reale und konkrete Angst, sagt sie. Dadurch sei sie emotional sehr beansprucht. An der fehlenden Nachfrage nach ihrem Befinden aus ihrem weißen Freundeskreis, der zur Hälfte aus Journalistinnen und Journalisten bestehe, habe sie das Privileg weißer Menschen feststellen können, ein unbequemes Thema wie Rassismus einfach ignorieren zu können.

Mangelndes Verständnis der Nichtbetroffenen

Darin erkenne sie ein grundsätzliches, mangelndes Verständnis einer weißen Mehrheit hierzulande für die Vorgänge in den USA. Die von Rassismus betroffenen Menschen in Deutschland hätten Angst, dass die aktuellen Emotionen nicht vorhalten würden.
"Und, dass viele Leute, die jetzt gerade laut sind, irgendwann mal wieder aussteigen werden, weil Antirassismus kein Sprint, sondern ein Marathon ist. Und, dass man immer wieder zurückgeworfen wird. Und dass die Menschen, die sich schon lange damit auseinandersetzen, die auch schon 2013 auf den Straßen waren und "Black Lives Matter" gerufen haben, sieben Jahre später immer noch das Gleiche machen müssen und das Gefühl haben, es ändert sich nichts", sagt Hasters.
Es sei ihr klar, dass die jetzige Aufmerksamkeit irgendwann nicht mehr aufrechtzuerhalten sei. Sie wünsche sich aber, dass die Menschen merken, dass es nicht reiche, alle paar Jahre einmal etwas zu tun, sondern dass antirassistische Haltung in den Alltag übergehen müsse.

Polizeigewalt und Racial Profiling

Auch in Deutschland gebe es Polizeigewalt. "Es wäre falsch zu sagen, nur weil die Polizeigewalt in den USA anders aussieht als in Deutschland, weil man nicht die gleichen Bilder sieht, gibt es keine Polizeigewalt. Das stimmt nicht." Es sei bekannt, dass es in Deutschland auch Racial Profiling gebe. "Wenn man auch mal Menschen fragt, die von Rassismus betroffen sind, dann hört man oft auch unangenehme Erfahrungen mit der Polizei."
Sie habe das Gefühl, dass viele Menschen anfingen über Alltagsrassismus zu sprechen. "Aber das ist noch eine recht junge Entwicklung und ich glaube, dass es noch immer in vielen Räumen heruntergespielt wird und dass es ein großer Bestandteil von Alltagsrassismus ist, so zu tun, als ob es kein Rassismus sei. Als ob man das einfach hinnehmen muss wie bei vielen anderen Diskriminierungsformen auch, also bei Sexismus oder Queer-Feindlichkeit."
Sie habe keine Hoffnung auf ein schnelles Ende des Rassismus, sagt Hasters. "Das wird dauern. Aber man kann Arbeit machen, um ihn schneller loszuwerden, Strukturen schneller umzumodeln und für tatsächliche Gleichberechtigung zu sorgen." Auch wenn sich viele Dinge wiederholten, sehe sie auch ein bisschen Veränderungen und das mache ihr Hoffnung. Aus Skepsis und Selbstschutz möchte sie aber nicht voll in dieser Hoffnung aufgehen, weil sie befürchte, enttäuscht zu werden.
(rja)
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