Rassismus-Ausstellung in Dresden

Wie die Menschenrassen erfunden wurden

Drei gleich große Gehirne mit den Aufschriften "Afrikaner", "Europäer", "Asiate", ein sehr kleines mit der Aufschrift "Rassist"
Werbung der Commission for Racial Equality zum Thema: Rassenunterschiede (ethnische Unterschiede), nationale Minderheiten © Equality and Human Rights Commission (EHRC)/Foto: Ben Nott
Von Barbara Wiegand · 18.05.2018
In der Nazi-Zeit diente das Hygienemuseum in Dresden als "Rassenhygienische Propagandastätte" - jetzt wird diese Vergangenheit, aber auch die Geschichte des Begriffs "Rasse" in der Ausstellung "Rassismus. Die Erfindung von Menschenrassen" erkundet.
Noch bevor er die Ausstellung betritt, bekommt der Besucher den Spiegel vorgehalten. Einen Spiegel, der ihn nachdenklich machen soll – über das, was er sieht. Denn beim Blick hinein treten Buchstaben hervor – und man erkennt ein Zitat der Autorin Michelle Haimoff – wonach eine schwarze Frau in ihrem Spiegelbild eine schwarze Frau sieht, eine weiße Frau eine Frau – und ein weißer Mann einfach einen Menschen
"Die Vorstellung von Menschenrassen liegt allem, was uns sozusagen normal vorkommt, was uns bekannt vorkommt zugrunde. Das heißt, um ein Beispiel zu geben, wir untersuchen in der Medizin den Menschen, dann ist das natürlich ein weißer Mann. Weil Rassismus dafür gesorgt hat, dass Menschen weiße Männer sind", sagt Josephine Apraku, die das Ausstellungsteam beraten hat.

Die Ursprünge des Rassebegriffs

Rassismus und der Begriff Rasse, das geht für sie nicht ohne einander, und so ist es nur folgerichtig, dass man in Dresden zunächst mal die Ursprünge des Rassebegriffs ergründet. Farbtabellen, echte und idealtypische Schädel, bizarre Gerätschaften lagern in einem rasterartigen Regalsystem im ersten Raum.
Josephine Apraku: "Ich glaube, dass diese Messinstrumente deutlich machen können, wie sehr alles, was wir als neutral wahrnehmen, gemacht ist. Also, die Instrumente sollen uns ja weismachen, dass Rasse eine normale Kategorie ist, die dem Rassismus vorgängig ist."
Die Forschung also als klassifizierendes, ja mitunter deklassierendes Konstrukt. Dazu passt, dass es bei der Vermessung des Menschen auch um die Vermessung des "Unmenschen" ging.
Kuratorin Susanne Wernsing: "Mit der Anthropometrie im 19. Jahrhundert ist dann der Beginn eines wissenschaftlichen Rassismus, weil da die Quantifizierung beginnt. Ein ausuferndes Vermessen von Personen, was in der Kriminalistik erstmal das Ziel hatte, Tatverdächtige zu identifizieren. Gleichzeitig war das aber verbunden mit Lehren, die versucht haben, so was wie einen Verbrechertypus zu konstruieren."
Die Rassismus - Ausstellung in Deutsches Hygiene-Museum am 18.05.2018 in Dresden . Foto: Oliver Killig
Besucherin vor dem Werk von Yinka Shonibare "How to blow up two heads at once (Gentlemen)" © Oliver Killig
Stereotypen und Stigmatisierung liegen hier oft nah beieinander – in einem Ordnungssystem, das nicht nur in der Forensik genutzt wurde, sondern auch zur Legitimierung eines Kolonialsystems. Die Furcht und die Faszination vor dem Fremden, die damit einhergingen, sie spiegeln sich in bis heute markanten Objekten wider. Im Federschmuck des "Edlen Wilden" , in der kleinen Bronzefigur vom monströsen Menschenaffen King Kong, der die weiße Frau raubt.

Über Jahrhunderte erprobtes Ausgrenzungssystem

Klaus Vogel, Direktor des Deutschen Hygienemuseums: "Rassismus ist eigentlich ein Ausgrenzungssystem, ein über die Jahrhunderte erprobtes anscheinend in der Natur des Menschen liegendes nachweisbares Ausgrenzungssystem, das fatale Folgen hat – wenn die äußere Sichtbarkeit als Merkmal nicht mehr zutrifft, dann ist es vielleicht das Blut, wenn es das nicht mehr ist, vielleicht die Gene. Jedenfalls ist Rassismus nie etwas neutrales gewesen, sondern diente immer dazu, Menschen dazugehören zu lassen oder auszugrenzen."
Nicht die Protestmärsche von Pegida, nicht der Wahlerfolg der AfD, vielmehr die eigene Geschichte des Museums als "Rassenhygienische Propagandastätte" der Nazis seien die Beweggründe für diese Ausstellung gewesen, erzählt Vogel weiter. So zeigt man das Modell eines gläsernen Menschen – und konterkariert diesen "Idealtypus" mit einem Gemälde von Ernst Ludwig Kirchner.
Nochmals Kuratorin Susanne Wernsing: "Es zeigt Oskar Schlemmer. Und Schlemmer hat ja 1928/29 am Bauhaus die Vorlesungsreihe "Der Mensch" gehalten, was eigentlich genau das Gegenteil ist von dem, was die Ikone des Deutschen Hygienemuseums zeigt: den mechanischen perfekten Körper. Schlemmer hat ja ein ganzheitliches Menschenbild entworfen. Was den Körper im Raum, Bezüge zur Metaphysik, zur Philosophie hergestellt hat."

Auch heutige Perspektiven werden aufgezeigt

So kombiniert man in Dresden klug verschiedene Menschenbilder - rassistische Raster. Und zeigt mit verschiedenen Medien auch andere, heutige Perspektiven auf. Es wird künstlerisch interveniert, politisch kommentiert, wissenschaftlich argumentiert und einfach erzählt – von denen, die Rassismus erleben und erleiden müssen.
Theodor Wonja Michael: "Es ist für einen Menschen mit dunkler Hautfarbe sehr, sehr schwer ohne Wunden und Narben davonzukommen. Ich behaupte immer, man kann das gar nicht. Wenn man in einer weißen Gesellschaft lebt, dann kriegt man das immer mit."
Theodor Wonja Michael, 1925 als Sohn eines Kameruner Kolonialmigranten als Deutscher in Berlin geboren, kommt in einem im letzten Ausstellungsraum gezeigten Film zu Wort. In der spiralartigen Architektur kann man sich in derlei Dokumente vertiefen, findet aber auch Rückzugsecken für Austausch und Reflektion. Reflektion über eine Ausstellung, die nicht belehrend daherkommt - die sich dafür klar politisch positioniert. Und die dabei Perspektiven eröffnet - und den Blick auf Ursachen und Wirkung von Rassismus, und die Erfindung von Menschenrassen schärft.

Im Deutschen Hygiene-Museum Dresden ist vom 19. Mai 2018 bis zum 6. Januar 2019 die Sonderausstellung "Rassismus. Die Erfindung von Menschenrassen" zu sehen. Deutschlandfunk Kultur ist Medienpartner der Ausstellung.

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