Rassismus-Ausstellung in Dresden

"Selbst Rassisten sprechen heute nicht mehr von Rasse"

Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Eine "unschuldige" Rassenforschung gibt es nicht, kritisiert die Kulturwissenschaftlerin Susanne Illmer. © Foto: Jan-Peter Kasper/FSU
Susanne Illmer im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 18.05.2018
Rassismus verstecke sich heute hinter Begriffen wie Kultur, Ethnie oder Religion, meint die Dresdener Kulturwissenschaftlerin Susanne Illmer. Den Begriff "Rasse" würden dagegen selbst Rassisten nicht mehr benutzen. Das sei problematisch.
Rassismus hat wieder Konjunktur, sagt die Kulturwissenschaftlerin Susanne Illmer vom Dresdener Hygienemuseum. Besonders gefährlich sei, dass er hinter Begriffen wie Kultur, Ethnie und Religion versteckt werde.
Der Begriff Rasse hingegen werde heute kaum noch verwendet, sagte Illmer im Deutschlandfunk Kultur. "Der wird selbst von Leuten wie Björn Höcke, sag ich mal, vermieden. Selbst Rassisten sprechen heute nicht mehr von Rasse."
Besonders alarmierend findet die Leiterin der Abteilung kulturelle und wissenschaftliche Veranstaltungen im Hygiene-Museum, dass rassistisches Gedankengut nicht nur politisch Konjunktur habe, was sich etwa am Aufstieg rechtspopulistischer Parteien in Europa zeige. "Sondern dass es auch in den Wissenschaften, in den Bio-, in den Lebenswissenschaften gerade wieder so eine Konjunktur von Forschungen an diesem Konzept Rasse – in der Populationsgenetik oder wo auch immer – gibt."

Die Natur kennt keine Rassen

Die Kulturwissenschaftlerin befürchtet, diese beiden Strömungen könnten irgendwann wieder eine unheilvolle Allianz bilden. "Also, wenn sozusagen politische Strömungen wieder einmal an die Macht kommen, die sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse als eine Legitimationsressource stützen können, um eine rassistische Politik umzusetzen."
Es gebe in der Natur keine Rassen, betont Illmer. "Es gibt nicht zunächst mal eine unschuldige Einteilung von Menschen in Gruppen, die wir als Rassen bezeichnen, die irgendwie nebeneinander existieren und die einfach ein probates Ordnungsmittel sind – und irgendwann kommt der Rassismus dazu, der da Wertungen einführt und Ungleichwertigkeiten einführt, und der das eben alles schlimm macht."
Vielmehr sei es der Rassismus, der sich die Rassen erfinde. "Hinter der Einteilung von Menschen in Rassen steht sozusagen immer eine Macht, in deren Interesse das erfolgt. Ein Herrschaftsanspruch, ein koloniales Interesse, das sozusagen dafür sorgt, dass es diese Einteilung gibt."

Im Deutschen Hygiene-Museum Dresden ist vom 19. Mai 2018 bis zum 6. Januar 2019 die Sonderausstellung "Rassismus. Die Erfindung von Menschenrassen" zu sehen. Parallel dazu erscheinen zwei Begleitpublikationen: der Essayband "Das Phantom 'Rasse'. Zur Geschichte und Wirkungsmacht von Rassismus", der von Susanne Illmer mitherausgegeben wurde. Außerdem "Rassismus. Die Erfindung von Menschenrassen", herausgegeben von Susanne Wernsing, Christian Geulen und Klaus Vogel für das Deutsche Hygiene-Museum.

Deutschlandfunk Kultur ist Medienpartner der Ausstellung. Anlässlich der Ausstellung setzen wir dazu einen thematischen Schwerpunkt im Deutschlandfunk Kultur.

Die "Lesart" war zu Besuch bei Eso Wan Books in Los Angeles, einer Buchhandlung, die auf afroamerikanische Literatur, Poesie und Geschichte spezialisiert ist. Der Journalist Mohamed Amjahid war zu Gast bei "Im Gespräch" und sprach über seine kleinen Tricks gegen Rassismus. Mit der Wissenschaftshistorikerin Veronika Lipphardt haben wir über genetische Vielfalt und das von ihr kritisierte Ordnungssystem "Rasse" gesprochen. Hören Sie zum Thema auch das Interview mit Marius Jung, Autor des Buchs "Singen können sie alle - Handbuch für Negerfreunde" und unser Feature über die Entstehung des Rassegedankens in der Sendung "Zeitfragen".

(uko)
Mehr zum Thema