Rainer Kirsch

Hoher Ton und intellektuelle Freude

Der Schriftsteller Rainer Kirsch
Rainer Kirsch 1999 © dpa / picture alliance / Nestor Bachmann
Michael Opitz über den Lyriker, Übersetzer und Essayisten · 17.07.2014
Als junger Mann löste Rainer Kirsch in den 60er-Jahren der DDR die Lyrikwelle mit aus. Mit seinen Gedichten und Kinderbüchern sei er "ungeheuer erfolgreich" gewesen, porträtiert ihn der Literaturkritiker Michael Opitz.
In einem 1962 entstandenen Gedicht mit dem Titel "2005" wagte der 28-jährige Rainer Kirsch einen Blick in die Zukunft. Dort sind es die Enkel, die einen kritischen Blick auf die seinerzeit entstandenen Texte werfen: "Und sie werden sich die Zeilen zeigen / Freundlich sagen: 'Es ist so gewesen.' / Oder sanft und unnachsichtig schweigen."
Die Verse des in Döbeln geborenen Autors müssen diesen Blick nicht fürchten: Rainer Kirsch hat sich nie den Zeiten angepasst. Der in Berlin lebende Lyriker, Übersetzer und Kinderbuchautor, der zur Sächsischen Dichterschule zählt, steht als Aufklärer in der Tradition der klassischen Literatur.
"Rainer Kirsch versteht es, mit so einer gewissen intellektuellen Lust ein Thema in der Schwebe zu halten", sagt der Literaturkritiker Michael Opitz im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur, "es geht um Kopf und Kragen und die Frage: Bleibt alles, wie es ist. (...) Das ist so etwas, was Kirsch mit intellektueller Freude macht: ein Thema so ausbreiten, das dann aber auch einen gewissen Erkenntniszuwachs hat bei dem, der es liest. (...) Er hat auf eine ganz besondere Art sich mit den Gegebenheiten in der DDR auseinandergesetzt. Er hat das immer gemacht in einem sozusagen hohen Ton. Er war bekannt als so ein poeta doctus, der immer etwas zur Sprache brachte, aber nicht mit umgangssprachlichen Mitteln, sondern orientiert an den Höhen der klassischen Literatur. Da schwebte immer der Vorwurf der Dekadenz im Raum, und das hat ihm oft Vorwürfe eingebracht, also auch in den lyrischen Texten und Theatertexten, die er vorgebracht hat."
Sarah und Rainer Kirsch 1963
Die Schriftsteller Sarah und Rainer Kirsch bei einer Lesung in Jena 1963© dpa / picture alliance / FSU-Fotozentrum
Kirsch sei in der DDR "ungeheuer erfolgreich" gewesen, er habe erstaunliche Auflagen mit seinen wenigen Büchern erzielt, zum Beispiel 18.000 Exemplare bei seinem ersten Gedichtband und 100.000 bei den Kinderbüchern, sagte Opitz. "Das zeigt aber auch die Klasse der Texte von Rainer Kirsch. Der hatte sein Publikum in der DDR gehabt, man hat den mit Freude gelesen und immer darauf gewartet, wann kommt ein neuer Band, und es kamen so wenige, weil er gesagt hat: Ich schreibe vier bis fünf Gedichte im Jahr, mehr nicht!" Auch als "grandioser Übersetzer" aus dem Russischen (Ossip Mandelstam, Sergei Jessenin) habe Kirsch große Verdienste.
Mehr zum Thema