Räumung des Idomeni-Camps

Ein Zeichen der Ohnmacht

Zwei griechische Polizisten stehen bei der Räumung des des Flüchtlingslagers in Idomeni am 24.05.2016 vor Zelten, vor denen ein Flüchtlingsjunge kauert.
Die griechische Polizei räumt am 24.05.2016 das Flüchtlingslager in Idomeni. © picture alliance / dpa / Yannis Kolesidis
Von Panajotis Gavrilis · 24.05.2016
Zelte, die im Schlamm untergehen: Diese Bilder sind nach der Räumung der Flüchtlingszeltstadt im griechischen Idomeni passé. Doch das ist ein Rückschritt, meint Panajotis Gavrilis − und der große Skandal liege ohnehin woanders.
"Das wurde auch mal Zeit!", werden einige jetzt sagen. Endlich: Niemand muss diese Bilder mehr aushalten. Die Refugee-Zeltstadt, das Symbolbild der gescheiterten Flüchtlingspolitik mitten in Europa – es verschwindet. Vorerst wird keine mazedonische Polizei Tränengas und golfballgroße Gummigeschosse über den Grenzzaun auf geflüchtete Kinder schießen. Hunderte kleine Zelte, die im Schlamm untergehen – diese Bilder sind passé. Dabei waren es genau diese Szenen, die das Potential hatten, manchen im kuscheligen deutschen Wohnzimmer aufzurütteln.
Nun werden die Flüchtlinge ihre Hoffnungslosigkeit, ihre Verbitterung in die offiziellen Lager tragen. Ein Rückschritt, denn in Idomeni konnten sie sich frei bewegen, sich eigenständig organisieren, den Alltag einigermaßen erträglich gestalten. Es gab Friseure am Straßenrand, kleine Lebensmittelstände, sogar improvisierten Schulunterricht. In dem ganzen Elend war das phasenweise das Einzige, was den geflüchteten Menschen dort an Würde geblieben ist: selbst zu entscheiden.
Die Menschen fühlen sich im Stich gelassen, sind sauer – auf die EU. Knapp 54.000 sitzen in Griechenland fest. Niemand von ihnen will bleiben; verständlich bei dieser Krise im Land. Das Flüchtlingscamp in Idomeni war ein Mikrokosmos mit all seinen Problemen, die eine Kleinstadt eben hat, und jeder konnte sich selbst ein Bild davon machen. Bis heute, bis zur Räumung. Denn außer der staatlichen Nachrichtenagentur und dem griechischen Staatsfernsehen ERT durfte heute niemand auf das offene Gelände am Grenzübergang. Unabhängige Berichterstattung? Fehlanzeige. Journalistinnen und Journalisten mussten draußen bleiben.

Idomeni ist vorbei, die Probleme bleiben

Und genau das ist neben der Räumung an sich der große Skandal. Die griechische Regierung scheint die Pressefreiheit als ein flexibles Gut zu betrachten – wie es ihr eben passt. Die verzweifelten Menschen sollen nicht mehr gezeigt werden. Der zuständige Regierungssprecher für Flüchtlingsfragen begründet es damit, dass Einschränkungen für Medien bei solchen Einsätzen weltweit üblich seien. Die Regierung betont, sie wolle Gewalt vermeiden bei der Räumung, dabei ist die Räumung an sich schon die Gewalt. Und Zeichen der Ohnmacht.
Die neuen Aufnahmelager seien besser, verspricht die Syriza-Regierung und tarnt somit ihre Unfähigkeit, die Menschen vernünftig über das Asylverfahren zu informieren. Auch der EU-Türkei-Deal könnte scheitern: Erst vergangene Woche entschied ein griechisches Berufungsgericht, dass die Türkei kein sicherer Drittstaat sei für einen Syrer. Der hatte gegen seine geplante Abschiebung im Rahmen des EU-Türkei-Deals Einspruch eingelegt. Ihm könnten nun Hunderte folgen.
Das und diese Räumung heute werden keine Ordnung in das griechische Asylsystem bringen. Idomeni ist vorbei, doch die Probleme bleiben. Vor allem für Griechenland und für alle EU-Staaten. Die Frage ist nur, wer und wie viel davon gezeigt wird und: ob überhaupt jemand diese Bilder sehen möchte.
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