Rachida Lamrabet über Ausgrenzung in Belgien

Nur wer weiß ist, bekommt Wohnung und Job

Marktplatz und Rathaus von Molenbeek. Der Brüsseler Stadtteil gilt als ein Ort, an dem Muslime zunehmend radikalisiert werden.
Brüssels Stadtteil Molenbeek ist ein Sinnbild für das Scheitern der Integration von Einwanderern in Belgien geworden. © Deutschlandradio - Jenny Genzmer
Rachida Lamrabet im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 30.06.2016
Die belgische Juristin und Schriftstellerin Rachida Lamrabet kommt aus einer marokkanischen Einwandererfamilie. Sie schreibt gegen Hass und Diskriminierung an. Manche ihrer Geschichten sind sehr traurig - wenn klar wird, dass die Liebe nicht immer gewinnt.
Vor acht Jahren veröffentlichte die Belgierin Rachida Lamrabet ihren Roman "Frauenland", der in Flandern als "Debüt des Jahres" gefeiert wurde. Zwei Jahre später wurde er aus dem Niederländischen ins Deutsche übersetzt, 2012 kam der Erzählband "Über die Liebe und den Hass" heraus.
Lamrabet ist die älteste Tochter einer marokkanischen Einwandererfamilie. Sie sei die erste junge Frau in der Nachbarschaft gewesen, die an die Universität ging, um zu studieren – die anderen Mädchen heirateten. Den Lebensunterhalt verdient Lamrabet als Juristin im Zentrum für Chancengleichheit und Bekämpfung von Rassismus in Antwerpen.

Mobbing gibt es auch unter Migranten

Die Figuren ihrer Geschichten machen immer wieder die Erfahrung, dass nur derjenige eine Wohnung und einen Job bekommt, der weiß ist und einen europäischen Namen hat. Lamrabet schreibt aber auch über Mobbing unter Migranten und Konflikte zwischen den Generationen, wenn etwa nordafrikanische Eltern die Heirat ihres Sohnes mit einer nichtmuslimischen Belgierin hintertreiben.
In einer ihrer Geschichten schüttelt ein Liebespaar das Misstrauen der Eltern gegen eine Eheschließung ab – doch schließlich schlägt der jüngere Bruder der nicht-muslimischen Frau ihren angehenden, muslimischen Ehemann fast tot. An dieser Tat zerbricht die Beziehung.

"Wir denken immer, die Liebe überwindet alles"

"Wir denken immer, die Liebe überwindet alles, und wir mögen diese Vorstellung, dass die Liebe stärker ist als alles", sagte Lamrabet im Deutschlandradio Kultur. Doch viele junge Menschen seien wütend, hart, legten kaum Empathie an den Tag, zeigten kein Verständnis für andere und könnten auch nicht verzeihen, so die Schriftstellerin. Doch all das sei die Voraussetzung "für ein Leben in Frieden und Liebe". Die älteren Menschen hingegen hätten Lebenserfahrung und verständen eher, was wichtig ist. Sie könnten sich arrangieren.
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