Ausstellung im Jüdischen Museum in Frankfurt

Wer Rache übt, ist kein Opfer

Der Baseballschläger aus Quentin Tarantinos Film "Inglourious Basterds".
Mit diesem Baseballschläger zerschmettert Donny Donowitz (Eli Roth) in Quentin Tarantinos Film "Inglourious Basterds" einem SS-Offizier das Gesicht. © Lukas Pichelmann
Max Czollek im Gespräch mit Britta Bürger · 18.03.2022
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Eine Ausstellung im Jüdischen Museum in Frankfurt beschäftigt sich mit dem Thema Rache und hinterfragt das in Deutschland nach 1945 gängige Bild des versöhnlichen jüdischen Opfers. Zeit, auch die widerständige Geschichte zu erzählen.
Zum ersten Mal beschäftigt sich eine Ausstellung in Deutschland mit dem Thema Rache in der jüdischen Kulturgeschichte. „Es geht darum, den Blick zu weiten für die unterschiedlichen Möglichkeiten, wie Juden und Jüdinnen auf ihre eigenen Verfolgungsgeschichten reagiert haben“, sagt der Ideengeber der Schau, der Lyriker und Publizist Max Czollek. „Da muss man einfach konstatieren, dass sich antisemitische Gewalt nicht nur als eine Erfahrung von Angst und Trauer ausdrückt, sondern auch als Wut, Widerstand und Willen, Rache zu nehmen.“
Nach 1945 sollten Jüdinnen und Juden, so Czollek, gute, unschuldige Opfer sein: „Was auch eine bestimmte emotionale Regulierung bedeutet, also eine bestimmte Vorstellung davon, dass Erinnerung und Opferschaft mit Versöhnlichkeit, Trauer und Angst zu tun haben – und Rache ist natürlich das genaue Gegenteil davon.“

Die Ausstellung "Rache. Geschichte und Fantasie" ist bis zum 17. Juli 2022 im Jüdischen Museum Frankfurt zu sehen.

Schaue man sich aber die überwiegende Mehrheit der in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden an, so Czollek, stelle man fest, dass sie ihrer eigenen Erzählung nach gar nicht aus Auschwitz befreit worden seien, sondern selbst Auschwitz befreit und den Zweiten Weltkrieg gewonnen hätten: Denn sehr viele Juden und Jüdinnen hierzulande kommen aus der ehemalligen Sowjetunion.
Der Rachetopos sei eine hervorragende künstlerische Möglichkeit, Rollenzuteilungen zu unterbrechen, meint der Publizist. In der Ausstellung gehe es zudem nicht nur um reale Geschichte, sondern auch um Fantasie.

Aus der Ohnmacht in die Handlungsfähigkeit

So ist Czollek stolz darauf, den Original-Baseballschläger aus Quentin Tarantinos Film „Inglourious Basterds“ zeigen zu können. Dieser stehe „für das, was wir mit Rache auch tun, nämlich die reale Ohnmacht und die reale Gewalterfahrung auf künstlerischer Ebene zu konterkarieren und zu sagen: Wir wissen doch alle, dass die Geschichte ganz anders stattgefunden hat, und gerade darum erzählen wir sie neu, um aus der Ohnmacht in eine Handlungsfähigkeit zu kommen, wenn auch auf künstlerischer Ebene".
Ebenfalls Teil der Ausstellung sind die in einem weiteren Raum präsentierten letzten Aussagen von Menschen, die im Holocaust ermordet wurden – und „da finden sich erstaunlich oft Aufforderungen, Rache zu nehmen. Das widerspricht einer bestimmten Vorstellung davon, wie Juden und Jüdinnen über ihre eigenen Vernichtungserfahrungen erzählen", so Czollek.
Dass diese Racheaufforderungen nach 1945 nicht aufgegriffen worden seien, sei für ihn „eine interessante, auch provozierende und verstörende Erkenntnis" gewesen, sagt der Lyriker: „Das ist eine Frage, die sich auch in der Gegenwart stellt: Wie geht man mit dieser Art von Aufforderung um?“

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