Psychische Belastung in der Pandemie

Berufstätige Mütter spürten den Lockdown am stärksten

06:58 Minuten
Ein zweijähriges Kind malt ein Bild, während seine Mutter im Homeoffice an einem Laptop arbeitet.
Homeoffice mit Kind: Für Frauen, die nebenbei den Haushalt organisieren müssen, kann die Dauerbelastung im Lockdown zu hoch werden. © picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte
Bertolt Meyer im Gespräch mit Anke Schaefer · 22.01.2021
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Im Lockdown des Frühjahrs 2020 wurden Frauen mit Job und Kleinkindern am meisten beansprucht. Das ist ein Ergebnis einer großangelegten Befragung, die Bertolt Meyer auswertet. Männer in derselben Situation hatten es leichter, sagt der Chemnitzer Psychologe.
Bertolt Meyer ist Organisations- und Wirtschaftspsychologe an der TU Chemnitz und arbeitet an einer demnächst erscheinenden Studie zur psychischen Belastung von erwachsenen Berufstätigen im ersten Lockdown von April bis Juni 2020. Dafür wurden knapp 3.000 Menschen nach ihrer Belastung und ihren Ressourcen befragt. Vor allem die Mütter seien stark belastet gewesen, sagt Meyer. Der Verlauf der Belastung sei dem Verlauf der Pandemie und der Lockdown-Maßnahmen gefolgt.
"Wir haben besonders hohe psychische Belastungen festgestellt bei berufstätigen Frauen, die zu Hause Kinder im nicht schulpflichtigen Alter haben, und die im Homeoffice arbeiteten, als die Lockdown-Maßnahmen besonders scharf waren, also Kitas und Schulen geschlossen waren." Das sei im Grunde trivial, aber Meyer konstatiert auch ein eher überraschendes Ergebnis: "Männer in derselben Situation waren nicht so stark belastet wie die Frauen."

Analysen widerlegen Geschlechterklischees

Das liege aber nicht daran, dass Frauen sich bei gleicher psychischer Belastung stärker beansprucht fühlen, wie man aus früheren Studien wisse, sondern an den unterschiedlichen Doppelbelastungen im Alltag, die Frauen in stärkerem Maße als Männer hätten. Solche "knallharten" Geschlechterklischees – die Vorstellung von "sensibleren" Frauen, die schneller merkten, wenn es psychologisch nicht stimme – seien durch Meta-Analysen widerlegt: "Es ist die objektive Höherbelastung von Frauen im Alltag, die zu diesem Muster führt, unabhängig davon, ob wir eine Pandemie haben oder nicht."
Bei Frauen, das ist laut Bertolt Meyer eine weitere Erkenntnis der neuen Studie, scheine mehr psychische Belastung anzukommen – und zwar insbesondere dann, wenn sie sich durch Partner im Haushalt nur gering unterstützt fühlten.
(cre)
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