Prozess um Waffenhersteller Heckler & Koch

Strafen für illegale Exporte nach Mexiko

05:52 Minuten
Ehemalige Mitarbeiter von Heckler & Koch in einem Gerichtssaal im Landgericht Stuttgart.
Angeklagte und Verteidiger am 21. Februar 2019 im Prozess gegen ehemalige Mitarbeiter von Heckler & Koch in einem Gerichtssaal im Landgericht Stuttgart. © picture alliance/dpa/Foto: Marijan Murat
Uschi Götz im Gespräch mit Andre Hatting · 21.02.2019
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Im Prozess um Waffentransporte der Rüstungsfirma Heckler & Koch nach Mexiko sind zwei frühere Mitarbeiter zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Und es sollen 3,7 Millionen Euro Strafe eingezogen werden, wie Korrespondentin Uschi Götz berichtet.
André Hatting: Am Morgen ist in Stuttgart ein Prozess zu Ende gegangen, der nicht nur in Deutschland, sondern auch in Mexiko genau verfolgt worden ist. Es geht um Lieferungen des baden-württembergischen Waffenherstellers Heckler & Koch. Angeklagt waren fünf Männer dieser Firma, und zwar ging es um die Frage, wieso zwischen 2006 und 2009 mehrere tausend Sturmgewehre eben dieser Firma in mexikanischen Bürgerkriegsgebieten gelandet sind, denn diese Lieferungen verstoßen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Und deshalb hatte die Staatsanwaltschaft für drei der Angeklagten Haftstrafen bis zu zwei Jahren und neun Monaten beantragt.
Unsere Korrespondentin Uschi Götz war für uns im Gerichtssaal. Herausgekommen sind zwei Bewährungsstrafen für Ex-Mitarbeiter und 3,7 Millionen Euro Strafe für die Rüstungsfirma Heckler & Koch. Wie hat der Richter dieses Urteil begründet?
Uschi Götz: Also zunächst mal muss man sagen, der Richter hat das sehr lange begründet, nämlich fast zwei Stunden lang, und es geht um erschlichene Endverbleibserklärungen, das ist immer das Stichwort gewesen in diesem Verfahren, das seit 2018 im Mai lief. Ein Land will Waffen in Deutschland ordern, nur als Beispiel, dafür braucht es diese Erklärung. In diesem Verfahren sollen einige frühere Mitarbeiter den mexikanischen Antragsstellern geholfen haben, dass die deutschen Behörden eben diese Endverbleibserklärungen aus Mexiko akzeptiert haben.

Eine Art Bande gebildet

Bei diesen beiden früheren Mitarbeitern, die nun Bewährungsstrafen bekommen haben, handelt es sich um den früheren Vertriebsleiter des Waffenherstellers und einer Sachbearbeiterin. Die Sachbearbeiterin habe sich weit mehr, als in ihrer Kompetenz lag, eingebracht und sich als Mitglied eines Teams identifiziert, in dem Fall mit weiteren Beschuldigten eine Art Bande gebildet. Das ist für das Strafmaß relevant gewesen.
Der frühere Vertriebsmitarbeiter habe gewusst, um was es geht, aber es billigend in Kauf genommen. Die drei weiteren früheren Mitarbeiter, Sie sagten es eben, wurden freigesprochen. Allerdings, und das ist auch wichtig, fand der Prozess ohne zwei mutmaßliche Hauptakteure statt, das betonte der vorsitzende Richter, ein früherer Mitarbeiter ist vor Beginn des Prozesses verstorben und ein weiterer ließ sich entschuldigen. Es handelt sich dabei um den früheren Mexiko-Vertreter von Heckler & Koch, er lebt noch in Mexiko. Und gegen ihn hat die Staatsanwaltschaft einen internationalen Haftbefehl beantragt.
Hatting: Bereits nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft schien es ja so, dass das Verfahren möglicherweise noch mal in Revision gehen könnte. Sieht es nach diesem Urteil jetzt immer noch danach aus?

"Da gibt es unter Umständen noch einen Streit"

Götz: Ich würde jetzt mal sagen, nein, weil Staatsanwaltschaft und jetzt die Kammer nicht so ungleich sind in der Forderung oder das, was jetzt letztendlich auch an Strafen herausgekommen ist. Die Revision grundsätzlich ist zugelassen, das wurde heute deutlich. Allerdings ist spannend, wie das Unternehmen nun auf die Forderungen reagieren wird. Das Unternehmen Heckler & Koch, Sie sagten es, soll 3,7 Millionen Euro bezahlen. Das ist der Wert des Tatertrags, so die Auffassung des Richters, also der Deal für den Waffenverkauf. Die Staatsanwaltschaft hatte 4,1 Millionen gefordert, der Verteidiger von Heckler & Koch hat in seinem Plädoyer vergangene Woche 200.000 Euro angeboten. Also da gibt es unter Umständen noch einen Streit.
Hatting: Pikant an dem Prozess ist auch folgende Personalie, denn auf der Anklagebank saß ein fast 80-jähriger Mann, der war selber mal Präsident eines Landgerichtes, und zwar in Rottweil, und dann hat er ab 2005 bei Heckler & Koch gearbeitet, zunächst als Exportbeauftragter und später dann als Geschäftsführer des Unternehmens. Die Staatsanwaltschaft hatte für diesen früheren Kollegen eine 22-monatige Haft auf Bewährung gefordert. Wie ist er davongekommen? Ist er freigesprochen worden?
Götz: Er ist freigesprochen worden, aber … Also das Ganze verlieh tatsächlich dem Ganzen eine Brisanz. Oberstaatsanwalt Karl-Heinz Erkert sagte in seinem Plädoyer vor zwei Wochen, es war von Anfang an klar, wohin geliefert wurde und das war auch dem früheren Landgerichtspräsidenten dann wohl klar.
Peter B. war zwar nie Teil dieser Bande, die ich vorher beschrieben habe, wie es eben den anderen vorgeworfen wird, er handelte laut Anklage in der niedrigsten Form des Vorsatzes und sollte hierfür ja diese 22-monatige Haftstrafe auf Bewährung bekommen. Aber es gab vonseiten des Richters heute auch nicht so etwas wie eine moralische Schuldzuweisung oder so was.
Der Richter ist eindeutig freigesprochen worden. Er hat in seinem Schlusswort vergangene Woche gesagt, von Anfang an habe eine einseitige Fokussierung auf seine Person stattgefunden, seine soziale Existenz sei vernichtet, die Ermittlungen seien nie ergebnisoffen geführt worden. Also von daher: Er war sichtlich geknickt.
Hatting: Unter anderem Rüstungsgegner haben ja dieses Verfahren gegen frühere Mitarbeiter von Heckler & Koch erst ins Rollen gebracht. Jetzt muss Heckler & Koch, wir haben das jetzt mehrfach erwähnt, 3,7 Millionen Euro Strafe zahlen. Sind die Rüstungsgegner damit zufrieden?
Götz: Ja, sie sind zufrieden auf der einen Seite, auf der anderen Seite gibt es aber auch heute schon am Rand eben nach dieser zweistündigen Begründung Forderungen für weitere politische Konsequenzen. Jan van Aken, bis 2017 für die Linke Bundestagsabgeordneter, hat den Prozess beobachtet, und er sagte eben:

Van Aken: "Das ist jetzt ein Stück Gerechtigkeit"

Jan van Aken: Dass Heckler & Koch jetzt 3,7 Millionen Euro zahlen muss, das ist richtig, man muss immer auch die Opfer im Blick haben, die deutschen Waffen waren mit dabei, als in Mexiko Menschen verstümmelt, ermordet worden sind, und das ist jetzt ein Stück Gerechtigkeit. Aber das Urteil zeigt auch, dass das heutige System der Exportkontrolle so nicht mehr funktioniert. Das Urteil sagt im Grunde genommen, dass der zentrale Pfeiler des heutigen Kontrollsystems nicht funktioniert.
Demonstranten stehen vor der Urteilsverkündung im Prozess gegen ehemalige Mitarbeiter von Heckler & Koch vor dem Landgericht Stuttgart.
Demonstranten stehen vor der Urteilsverkündung im Prozess gegen ehemalige Mitarbeiter von Heckler & Koch vor dem Landgericht Stuttgart.© picture alliance/dpa/Foto: Marijan Murat
Götz: Soweit also Jan van Aken mit ersten Eindrücken aus dem Prozess heute aus Stuttgart.
Hatting: Unsere Korrespondentin Uschi Götz live aus Stuttgart zum Ausgang des Prozesses gegen die Rüstungsfirma Heckler & Koch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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