Protestorganisation "Campact"

Die schlagkräftigste NGO Deutschlands

Demonstranten nehmen am 20.09.2014 vor dem Willy-Brandt-Haus in Berlin an einer Protestaktion von Campact zu den Handelsabkommen CETA und TTIP teil.
Demonstranten nehmen am 20.09.2014 vor dem Willy-Brandt-Haus in Berlin an einer Protestaktion von Campact zu den Handelsabkommen CETA und TTIP teil. © dpa/picture-alliance/Wolfgang Kumm
Von Norbert Zeeb · 21.05.2015
Die Verhandlungen um TTIP ziehen sich, gleichzeitig wächst der Widerstand gegen das Freihandelsabkommen. Den organisiert vor allem die NGO Campact, die über Internet und soziale Medien mehr als 1,6 Millionen Menschen erreicht. Campact-Chef Christoph Bautz ist zuversichtlich, TTIP zum Scheitern bringen zu können.
Christoph Bautz auf einer Kundgebung:"Nachdem ja am Anfang die Befürworter von TTIP das Wachstum ganz hoch gehängt haben und die Prognosen in den Himmel schossen, ist das ja immer mehr durch seriöse Untersuchungen untergraben worden."
An einem sonnigen Samstagvormittag in Bremen: mal wieder eine Kundgebung gegen das geplante Freihandelsabkommen, TTIP, zwischen der EU und den USA. Die Demonstranten wollen den Vertrag unbedingt zum Scheitern bringen. Sie befürchten: Käme TTIP zustande, wären Fracking, laxer Datenschutz und eine Aushöhlung der Demokratie die Folge.
Außerdem könnten US-Konzerne europäische Staaten verklagen, wenn deren Gesetze ihre Gewinne schmälern. Kritik, die mittlerweile auch in der offiziellen Politik angekommen ist.
Christoph Bautz auf einer Kundgebung: "In Deutschland sieht es so aus, dass es zum Beispiel in der SPD eine scharfe Auseinandersetzung darum gibt, aber der Widerstand in der SPD wächst auch."
"Widerstand in der SPD gegen TTIP" – eine gute Botschaft für Christoph Bautz, genau daran hat er gearbeitet. Der 43-Jährige, ein langer, schlaksiger Typ mit verschmitztem Lächeln, ist Mitbegründer und Geschäftsführer der Online-Protest-Organisation Campact in Verden.
Druck auf die Parteien ausüben
In Deutschland ist der Verein wohl der schlagkräftigste Akteur im Kampf gegen TTIP. Mit welchen Strategien Campact dabei arbeitet, erzählt Bautz in einem nahegelegenen Café:
"Wir schauen immer wieder, wo ist der Hebel, wo können wir am effizientesten ansetzen, wen muss man unter Druck setzen. Bei TTIP ist es zum Beispiel ganz klar die SPD, die ist gespalten, Sigmar Gabriel hat ein massives Problem damit, dass er sich hier so TTIP-freundlich positioniert hat, und jetzt setzen wir überall vor Ort die SPD unter Druck, weil viele Menschen in der SPD genau unsere Kritik teilen, sodass der Vorsitzende am Ende sich zurückbewegen muss und TTIP ablehnt."
Ob es nun um TTIP geht oder um den Kampf gegen Gentechnik und Kohlekraft – stets kooperieren der studierte Biologe und sein Team mit anderen NGOs wie Greenpeace oder Mehr Demokratie und holen sich dort das Fachwissen für ihre Kampagnen.
Umgekehrt baut Campact via Twitter, Facebook und mit einem schnell wachsenden E-Mail-Verteiler politischen Druck auf, sorgt für hunderttausende Teilnehmer bei Online-Petitionen, organisiert spontane Flashmobs oder sammelt Unterschriften – in Bremen etwa gegen TTIP.
"Mein persönlicher Part ist immer wieder zuzuspitzen, aber trotzdem faktengerecht zu bleiben, das ist eine große Herausforderung. Runterzubrechen, was ist schlimm an TTIP in drei Sätzen. Und sich immer wieder Ideen zu überlegen, die Leute ansprechen und sagen, oh ja, da mache ich mit, coole Sache, schöne Idee."
Vom Baumpflanzen zum Online-Protest
Seine Protestkarriere startete Bautz als Umweltaktivist. In den Neunzigern pflanzt er Streuobstwiesen und errichtet ein Naturschutzzentrum in seiner Heimatstadt Darmstadt. Später ist er am Aufbau des Bundesbüros von Attac beteiligt. 2004 gründet er zusammen mit anderen Campact – und holt den Online-Protest aus den USA nach Deutschland.
"Auf einer Reise in die USA habe ich 'Move On' kennengelernt und einfach bemerkt, wie große Potentiale durch das Internet entstehen für Protestbewegungen, dass dadurch nicht nur Leute sich engagieren können, die jede Woche die Zeit haben zu einer Bürgerinitiative zu gehen, sondern auch Leute Teil von Bewegungen werden können, die nur mal eben an einem Samstag wie heute auf die Straße gehen und sich für zwei, drei Stunden engagieren können, hier Unterschriften sammeln, und das aber, wenn das viele Tausende überall im Bundesgebiet gemeinsam tun, sehr machtvoll tun können, und damit Politik gestalten und verändern."
Als Campact-Chef und Kampagnen-Stratege ist Christoph Bautz längst trainiert im Umgang mit Medien. Dem Aktivisten, der die Politik vor sich her treiben möchte, wird immer wieder vorgeworfen, dass er Protest per Mausklick organisiert und entsprechend oberflächlich bleibt.
Zuversicht mit langem Atem
Bautz ficht das nicht an, er klingt zuweilen selbst wie ein Politiker. Allerdings wie einer, um dessen Zuversicht ihn manche beneiden dürften.
"Protestbewegungen brauchen immer wieder einen sehr langen Atem, auch die Auseinandersetzung um TTIP, die wird wahrscheinlich Jahre dauern. Wir wollen jetzt am 10. Oktober viele Zehntausend Leute auf die Straße bekommen, eine große Demonstration machen, und ich glaube, ja, das wird eine jahrelange Auseinandersetzung, aber ich habe den Eindruck, am Ende, dass dieses Abkommen über die Klinge springen wird, wenn wir dran bleiben."
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