Proteste in Hongkong gegen Auslieferungsgesetz

Etappensieg für die Opposition

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Carrie Lam vor einer Fotowand mit der Skyline von Hongkong.
Der "Gesetzgebungsprozess sei ausgesetzt", erklärte Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam. Das Wörtchen "ausgesetzt" dürfte mit Bedacht gewählt sein, meint Markus Pfalzgraf © AFP/Anthony WALLACE
Von Markus Pfalzgraf · 15.06.2019
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Die Regierung in Hongkong hat ihr umstrittenes Auslieferungsgesetz ausgesetzt. Das gab Regierungschefin Carrie Lam in einer Pressekonferenz bekannt. Doch der Opposition reicht das nicht.
Auch nach der Erklärung der viel kritisierten Regierungschefin saßen Oppositionelle in Hongkong wieder mit Protestschildern und entschlossenen Blicken auf einem Podium vor den Medien. Und wieder forderten sie den Rücktritt von Carrie Lam. Denn deren Zusagen glaubt die Abgeordnete Claudia Mo nicht:
"Wenn sie nicht zurückzieht, wenn sie das Gesetz nicht komplett zurücknimmt, dann weichen wir auch nicht zurück. Sie bleibt, wir bleiben. Ihr angebliches Versprechen ist völlig unglaubwürdig."
Auch verschiedene Bürgerrechtsgruppen sind unzufrieden. Sie riefen weiterhin zu Protesten am Sonntag im Stadtzentrum von Hongkong auf.

"Sie habe viel nachgedacht", verkündete die Regierungschefin

Ein paar Stunden zuvor war Carrie Lam in der Regierungszentrale vor die Presse getreten. Sie habe viel nachgedacht, sich beraten und gefragt, wie sie die Ordnung wiederherstellen könne, sagte Regierungschefin Lam. Das Klima in Hongkong bezeichnete sie als "polarisiert", und sie erklärte:
"Nach mehren internen Beratungen in den letzten Tagen gebe ich bekannt, dass die Regierung beschlossen hat, den Gesetzgebungsprozess auszusetzen. Wir wollen mit allen Bereichen der Gesellschaft sprechen, mehr erklären und unterschiedliche Standpunkte hören."
Das Wort "ausgesetzt" dürfte bewusst gewählt sein. Denn damit ist das umstrittene Auslieferungsgesetz nicht komplett zurückgezogen. Aber man kann davon ausgehen, dass es auf absehbare Zeit nicht mehr ins Parlament kommt - ein Zugeständnis nach großem Druck durch Massendemonstrationen und aus der Politik. Carrie Lam:
"Ich bedauere, dass Defizite in unserer Arbeit eine solche Kontroverse in der Gesellschaft ausgelöst haben. Nach zwei Jahren relativer Ruhe hat das viele Menschen enttäuscht. Wir werden eine äußerst aufrichtige und demütige Haltung einnehmen."

Peking äußerte sich nur in knappen Worten

Die Regierungschefin sprach außerdem davon, mehr erklären und zuhören zu wollen, und zwar "unvoreingenommen". Es gebe keine Zeitbegrenzung für diesen Prozess umfangreicher Beratungen.
Die Rolle Festland-Chinas bei der Entscheidug, das umstrittene Gesetz auszusetzen, kommentierte Lam nicht. Sie spreche grundsätzlich nicht über inoffizielle Treffen. Sie habe die Zentralregierung in Peking über ihren Schritt informiert. Von dort kamen knappe Worte der Unterstützung: Man habe die Entscheidung der Sonderverwaltungszone Hongkong zur Kenntnis genommen. Die Zentralregierung drücke Unterstützung, Respekt und Verständnis aus.
Die Bürgerrechtsgruppen in Hongkong dagegen stört, dass die Regierungschefin sich vor allem für die Kommunikation entschuldigt hatte. Sie habe eigentlich keine Fehler eingestanden und sich nicht für die Polizeigewalt entschuldigt.
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