Prostitution

Ein Plädoyer für die Doppelmoral

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Rotlichtviertel in Frankfurt © picture alliance / dpa / Salome Kegler
Von Dimitrios Kisoudis · 27.08.2014
Die Große Koalition plant, das Prostitutionsgesetz zu verschärfen. Bordelle müssen künftig behördlich angemeldet, Flatrate-Sex soll verboten werden. Der Publizist Dimitrios Kisoudis hält nicht viel von den rigorosen Plänen.
Früher herrschte Doppelmoral, wenn es um das älteste Gewerbe der Welt ging. Prostitution galt als sittenwidrig, war aber geduldet. Und das war richtig so. Seit Doppelmoral geächtet ist, wechselt die Moral von einem Extrem ins andere. Prostituierte gehen einer doppeldeutigen Tätigkeit nach. Sie machen Liebe für Geld mit jedem - nicht offen, sondern heimlich, oft in zwielichtigem Milieu, wo Geschlechtskrankheiten lauern, Gewalt und Drogen nicht fern sind.
Dem interessierten Mann sind sie Retterin in sexueller Not, eine, die mit der Ehefrau nicht konkurrieren, geschweige denn Partnerschaften und Familie gefährden will. Als Vater könnte der Freier ablehnen, dass Sohn oder Tochter anschaffen geht. Er ist nicht gezwungen, Prostitution zu befürworten. Doppelmoral hilft also, mit Doppeldeutigem umzugehen. Dennoch störten sich die sexuellen Revolutionäre von 1968 an ihr, sie wollten Prostitution moralisch einwandfrei machen.
Die selbstbestimmte Hure?
Zuerst wurden sexuelle Dienstleistungen für normal erklärt, zum Gewerbe wie jedes andere auch. Domenica, die Domina mit den großen Brüsten und dem straff nach hinten gekämmten Haar, kämpfte dafür, den Beruf anzuerkennen. Sie wurde zum Stammgast in den Talkshows und prägte in den 80er-Jahren das Bild von der selbstbewussten, selbstbestimmten Hure.
Der Anspruch auf gesetzliche Krankenversicherung erschien als letzte Hürde zur Normalität. 2001 erklärte der Gesetzgeber freiwilligen, gekauften Geschlechtsverkehr zum legalen Vertragsverhältnis. Er galt nun als sittenkonform, aber nur vorgeblich, nicht im Zweifelsfall. Wenn Prostitution ein normaler Job ist, durfte die Arbeitsagentur dann Arbeitslosen eine solche Beschäftigung nahelegen? Natürlich nicht. Das erlaubte das Sittengesetz dann doch nicht.
Zurück zur alten Doppelmoral wollte man nach der sexuellen Revolution aber auch nicht. Und so ging man den nächsten Schritt, auf die totale Duldung soll jetzt die totale Ablehnung folgen. "Abolitionisten" gewinnen Oberhand. Sie lehnen käufliche Liebe nicht nur ab, sie möchten sie total verbieten. Ihr Argument: Prostitution sei immer erzwungen, niemals freiwillig. Sie okkupieren ein radikal feministisches Diktum, wonach Geschlechtsverkehr zwischen Mann und Frau sowieso eine Vergewaltigung sei.
Jetzt zeigt sich eine Hure als selbstbewusst und selbstbestimmt, wenn sie ihre "Sexarbeit" hinter sich gelassen hat und verdammt - so wie zum Beispiel die Dänin Tanja Rahm. Wo nämlich selbst freiwillige Prostitution nichts als Zwang ist, kommt ein Vertragsverhältnis gar nicht in Frage und der Freier macht sich strafbar - so zum Beispiel in Frankreich.
Ungeliebte Freier kriminalisieren
Die alte Doppelmoral ächtete die Prostitution, aber sie wollte sie nicht abschaffen. Die neue rigorose Sexualmoral will die Prostitution abschaffen und weiß doch, dass sie es nicht kann. So setzt sie die Frauen und Männer erst recht der Illegalität aus, stürzt sie in soziale Not, vor der sie bewahrt werden sollen. Fast hat man den Eindruck, dass die feministische Lobby noch schmierigere Rotlichtviertel in Kauf nimmt, nur um die ungeliebten Freier zu kriminalisieren.
Und deshalb ist es besser, man begegnet doppeldeutigen Dingen ganz offen mit Doppelmoral. Sonst kehrt die Doppelmoral durch die Hintertür zurück. Man muss die Prostituierte nicht hochloben, man sollte sie aber auch nicht zum Opfer stilisieren. Man muss den Freier nicht mögen, man sollte ihn aber nicht als Täter verfolgen. Entscheidend für die rechtliche Beurteilung ist die Freiwilligkeit. Alles Weitere kann man den Sitten überlassen. Und die ändern sich von Zeit zu Zeit, wie schon die alten Römer wussten.
Dimitrios Kisoudis, Publizist
Dimitrios Kisoudis, Publizist© privat
Dimitrios Kisoudis, Publizist, geboren 1981, studierte Anthropologie in Freiburg und Sevilla. Er arbeitet in der Dokumentarfilmproduktion und befasst sich mit Ideologien. Buchveröffentlichungen: "Politische Theologie in der griechisch-orthodoxen Kirche" sowie als Mitherausgeber "Solange das Imperium da ist. Carl Schmitt im Gespräch mit Klaus Figge und Dieter Groh 1971".
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