Prostitution

Die Ästhetisierung der Sex-Arbeit

Symbolbild Prostitution
Symbolbild Prostitution © dpa / pa / Christians
Alexander Kohlmann · 10.08.2014
Beim Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel in Hamburg geht es um das älteste Gewerbe der Welt - die Prostitution. Dabei wurden Feministinnen à la Alice Schwarzer außen vor gelassen, eingeladen wurden Aktivistinnen, die für eine Idee des "sex-positiven" Feminismus stehen. Wird Prostitution durch Ästhetisierung verharmlost?
Wer von dieser Konferenz Schützenhilfe für die Initiative von Alice Schwarzer und der Emma-Zeitung erwartet hatte, Prostitution in Deutschland zu verbieten, der wurde enttäuscht. Die dreitägige Veranstaltung im Rahmen des diesjährigen Kampnagel-Sommerfestes liest sich eher wie das Postulat einer Gegenbewegung. Man habe absichtlich niemanden aus dem Emma-Umfeld eingeladen, erklärte Konferenz-Leiter Eike Wittrock, und sich mit dem Missy-Magazin ganz bewusst für einen Partner entschieden, der für die Idee eines "sex-positiven Feminismus" steht.
Es geht aber auf dieser Konferenz nicht nur darum, dass auch emanzipierte Menschen Spaß am Sex haben können, sondern um die viel provokantere These, dass Prostituierte nicht per se Opfer sind. Die Gesellschaft solle endlich aufhören, pauschal alle Sex-Arbeiterinnen als Opfer zu diskriminieren, fordert zum Beispiel die spanische Soziologin Laura María Agustín in ihrem Redebeitrag.
Wenn ihr eine Prostituierte sage, sie möge ihren Job, dann glaube sie ihr, betont Agustín, die von einer Rescue-Industry spricht, die Huren mit dem Opfer-Stempel erst recht sozial stigmatisierte. Bereits im England der Jahrhundertwende sei es bei gut situierten Damen in Mode gewesen, gefallene Mädchen zu "retten", um sich in ihrer eigenen moralischen Überlegenheit besser zu fühlen.
Kunstform oder extreme Notsituation
Starker Tobak für Feministinnen alter Schule sind derartige Redebeiträge, zumal auch anwesende Initiatoren von Hilfsangeboten sich unmittelbar von Agustíns Kritik getroffen fühlen könnten. Ein Verbot der Prostitution fordert jedenfalls auf dieser Konferenz niemand.
Dafür verwandeln Sex-Arbeiterinnen ihren Arbeitsalltag in drei Performances, von denen vor allen die Installation "Watch me work" die moralischen Fallstricke dieser Konferenz wunderbar spiegelt. Die junge Sex-Arbeiterin und Performerin Liad Hussein Kantorowicz verdient ihr Geld, indem sie sich vor einer Web-Cam auszieht und Fantasien umsetzt, die ihr virtuelle Freier irgendwo auf der Welt gegen Geld per Internet schreiben dürfen. In Hamburg arbeitet Liad vor Publikum, das ihr live zusehen und auf einer Leinwand die Konversation mit den Freiern verfolgen kann.
Die ahnen nicht, dass sie Teil einer Performance sind - und sollen es auch niemals erfahren. Einen schmalen Grad zwischen Kunst und Voyeurismus beschreitet diese Installation, die, zugegeben, das offensichtliche theatrale Potential der Sex-Arbeit vor der Kamera glänzend herausarbeitet. Und gleichzeitig ganz bewusst die Frage stellt, wo denn der Unterschied ist, wenn wir einer Sex-Arbeiterin auf der Theaterbühne beim Spielen der Lust zusehen, oder sich exakt dieselbe Situation in einem Club auf der nahen Reeperbahn ereignet.
Andererseits laufen die Veranstalter mit der Ästhetisierung dieser Sex-Arbeit durchaus Gefahr, das Thema zu verharmlosen, denn diejenigen die Sex-Arbeit nicht als Kunstform, sondern als extreme Notsituation begreifen, kommen auf Kampnagel nicht zu Wort.
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