Projekt Echolot

Pfadfinder wollen sexuellen Missbrauch aufarbeiten

07:11 Minuten
Ein blau-gelbes Halstuch und eine Bundeslilie des Bunds der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP), aufgenommen am 26.07.2013 beim Pfadfinder-Bundeslager in Immenhausen (Hessen).
Auf einer Pressekonferenz räumte die BdP-Vorsitzende Maria Venus Fehler im Umgang mit Tätern ein. © picture alliance / dpa / Swen Pförtner
Benjamin Holm im Gespräch mit Axel Rahmlow · 01.09.2021
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Das Bild vom Pfadfinden ist ein ziemliches Idyll: In Natur und Gemeinschaft,Abenteuer erleben und dabei etwas lernen. Aber auch in diesem Idyll gab es Fälle von sexuellem Missbrauch. Ein Verband der Pfadfinder lässt das nun wissenschaftlich aufarbeiten.
Der Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP) hat rund 30.000 Mitglieder und ist damit einer der sechs großen deutschen Pfadfinderverbände. Er hat nun eine wissenschaftliche Studie beim Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) beauftragt, um sexuellen Missbrauch in den eigenen Reihen aufzuarbeiten und die Dimension zu klären.

Unabhängige wissenschaftliche Aufarbeitung

Benjamin Holm ist im Alter von neun Jahren zu den Pfadfindern gekommen und mischt auch heute mit 44 noch mit. Unter anderem ist er Sprecher des Arbeitskreises Echolot bei dem Verband, in dem sich der BdP mit dem Thema sexuellen Missbrauch beschäftigt: "Wir wollen aus Fehlern der Vergangenheit lernen und für die Zukunft sorgen", heißt es auf der Webpräsenz des Verbandes zu Echolot.
Auf einer Pressekonferenz räumte die BdP-Vorsitzende Maria Venus Fehler ein. In mindestens fünf Fällen sei es nicht gelungen, Täter aus dem Verband zu entfernen; zudem habe man Betroffenen kein Gehör geschenkt, abgewiegelt und versucht, die Taten unsicherbar zu machen.
"Das ist ein dickes Brett, was wir hier bohren", sagt Benjamin Holm. Vor der Pressekonferenz, auf der der Verband das Projekt vorgestellt hat, habe er einen Kloß im Hals gehabt: "Das ist vielleicht diese Schwierigkeit, die man hat, wenn man was Unangenehmes aussprechen will, aber weiß, dass man es tun muss."
Ihm sei es aber wichtig, Verantwortung zu übernehmen. "Ich glaube, ich hätte mehr Angst davor, das nicht zu tun und so womöglich dafür zu sorgen, dass es weiterhin passiert." Aus anderen Fällen – von der Odenwaldschule in Deutschland bis zu zu den Pfadfindern in den USA – habe man gelernt, dass Sprachlosigkeit die Täter schütze und potenziell Betroffene gefährde.

Aufruf zur Teilnahme

Mit dem Schritt an die Öffentlichkeit wolle der Verband Betroffene und Zeitzeugen aufrufen, ihre Erfahrungen den Wissenschaftlern mitzuteilen, erklärt Holm. Dafür ist auch eine E-Mail-Adresse eingerichtet.
Der Verband erhoffe sich von der Studie auch Hinweise darauf, wo Gefährdungspotenziale liegen, sagt Holm. "Wir haben den Anspruch, dass Pfadfinderarbeit ein sicherer Ort ist." Andererseits wisse man, dass Missbrauch überall stattfinde, wo Kinder und Jugendliche seien. "Wir werden uns alles anhören, was uns die Wissenschaftler sagen."
In der Prävention habe man in den vergangenen zehn Jahren schon viel Erfahrung gesammelt. Da könne man sagen: "Es läuft", so Holm. "Auch da gibt es immer Luft nach oben", sagt er. Aber man habe erst mal eine Grundlage für die Arbeit. "Wenn die Wissenschaft uns sagt, da müsst ihr ran, dann gehen wir ran."

Fünf Jahre bis zur Durchführung

Von der ersten Idee bis zur Beauftragung der Studie hat es fünf Jahre gedauert. Der Verband arbeite vor allem ehrenamtlich mit Ausnahme der Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle, führt Holm zur Begründung an.
Die wissenschaftliche Aufarbeitung koste einen sechsstelligen Betrag und lasse sich nicht aus der Portokasse bezahlen: "Wir haben nach einer Finanzierung gesucht, das mussten wir erst mal klären." Nun zahlten die Mitglieder mit ihren Beiträgen, zudem gibt es einen Spendenaufruf.
(mfu)
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