Problematischer Vinyl-Hype

Vergessene Musik aus Afrika

Ebo Taylor
Musiker wie der Gitarrist Ebo Taylor aus Ghana, hier auf einem Festival 2012 in Spanien, profitieren davon, dass ihre Musik wieder veröffentlicht wird. © picture alliance/dpa/Foto: EFE/Esteban Martinena Guerrero
Thorsten Bednarz  · 11.07.2017
Dank des Vinylhypes der letzten Jahre werden auch einige Perlen afrikanischer Musik wiederentdeckt. Spezielle Labels bringen die alten Alben in Europa als neue Vinyledition heraus. Allerdings: Deren Auswahl schränkt auch unseren Blick auf die afrikanische Musikszene ein, findet Musikredakteur Thorsten Bednarz.
Seit Jahren wird über das Comeback der Schallplatte gesprochen. Sie wird wieder gesammelt und vor allen Dingen wird sie neu aufgelegt. Dabei kommen auch viele Aufnahmen vom afrikanischen Kontinent in unsere Läden, die vorher niemals in Europa erhältlich waren. Aber wie wichtig ist dieser Sammlerzweig eigentlich im großen Markt für Vinyl und wo liegen die besonderen Reize dieser Musik?

Es sei zwar eine sehr kleine Nische auf dem großen Vinylmarkt, sagte Plattensammler Thorsten Bednarz im Deutschlandfunk Kultur. Er habe aber den Eindruck, es sei ein sehr stabiler kleiner Marktanteil.
"Es ist ja auch überraschend, dass zuerst einige Titel auf diversen Compilations erschienen, dann kamen auch komplette Alben und schließlich führte das dazu, dass auch Künstler wie Ebo Taylor, Pat Thomas oder das Orchestre Poly Rythmo plötzlich wieder zueinander fanden, auf Tour gingen und neue Platten aufnahmen."
Das seien Künstler, deren Karrieren in der jeweiligen Heimat mehr oder weniger vorbei gewesen seien, so Thorsten Bednarz. Mit der erneuten Veröffentlichung ihrer Musik würden sie in ihren Ländern natürlich auch wieder ein größeres Ansehen genießen und andere Musiker seien versucht, auch auf diesen Zug aufzuspringen. So sei das neueste Beispiel das gerade erschienene neue Album von Gyedu-Blay Ambolley.
Thorsten Bednarz könne schwer sagen, was den Reiz der Wiederveröffentlichung ausmache. Es könne eine Mischung aus Exotik und die Suche nach immer neuen Beats und Rhythmen sein.
"Nicht umsonst haben ja mal wieder die HipHop-Produzenten mit als erste diese Platten ausgegraben und gesampelt."

Suchen und Sammeln

Angefangen habe alles mit Afrobeat und Afrofunk aus Westafrika, speziell aus Ghana und Nigeria, beschreibt Thorsten Bednarz die Anfänge.
"Was auch immer gut geht, ist südafrikanischer Jazz aus den 70er-Jahren. Das ist ein Jazz mit einer sehr spirituellen Note. Und weil das jetzt ein wenig abgegrast ist, kommen dann andere Regionen ins Blickfeld."
So tauche langsam Musik aus Angola auf.
Seit dem Film "Broken Flowers" von Jim Jarmusch gäbe es auch ein anhaltend großes Interesse an äthiopischer Musik.

Probleme mit Lizensierung

Ein großes Problem sei bei dem gesamten Thema aber die Lizensierung dieser Aufnahmen, sagte Thorsten Bednarz.
"So etwas wie ein Urheberrecht gibt es in einigen Ländern bis heute nicht, und oftmals wissen auch die Musiker nicht genau, ob sie denn nun diesen Song geschrieben haben oder nicht, oder ob da vielleicht doch noch jemand von der Plattenfirma die Rechte besitzt."
Das sei oft auch eines der Totschlagargumente, meint Thorsten Bednarz. Zudem gäbe es viele Streitereien in der Szene.

"Es ergibt sich ein postkoloniales Bild"

Als weiteres Problem sieht Bednarz die Konzentration auf die stets gleichen sehr tanzbaren Stücke. Dabei werde das generelle Bild der jeweiligen Musikszene stark überlagert.
"Die tolle Gospelszene in Ghana findet sich auf keiner der vielen Compilations wieder, aus Nigeria hören wir überwiegend Afrobeat obwohl Juju-Musik damals diese Szene prägte, die tolle elektronisch geprägte Musik der Kapverden, die jetzt gerade auf einigen Samplern gefeiert wurde, das war ein reines Phänomen der Diaspora – die wurde so in Rom oder Boston gespielt, aber auf den Inseln selbst nur kaum."
Diese Informationen erhalte man aber nur, wenn die Plattenfirmen diese auch mitliefern würden.
"Außer 'Analog Africa' und 'Ostinato' macht das kaum jemand und so kann man schnell die Musik, die man hört, als stellvertretend für die gesamte Musikszene des jeweiligen Landes erachten und damit ergibt sich dann wieder ein sehr postkoloniales Bild: Wir bedienen uns an dem, was wir gebrauchen können, was uns gefällt, und den Rest lassen wir links liegen."
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