Prinz Harrys Fernsehinterviews

Unfreiwillig auf der Therapiecouch

08:41 Minuten
Eine Frau sitzt im Wohnzimmer vor dem Fernseher und schaut das Interview mit dem britischen Prinzen Harry an.
Gleich zwei Interviews mit dem britischen Prinzen Harry flimmerten in einer Nacht im Fernsehen, eines auf im US-Sender CBS und eines im britischen Kanal ITV. © picture alliance / empics / Jane Barlow
Leonhard Horowski im Gespräch mit Liane von Billerbeck  · 09.01.2023
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Zum Erscheinen seines Buchs gibt Prinz Harry ein Interview nach dem anderen. Als versuche er, durch „radikale Selbstentblößung“ Konflikte mit dem Königshaus zu lösen, sagt Historiker Leonhard Horowski – und blickt zurück auf blutigere Brüderfehden.
Millionen von Zuschauern verfolgten in Großbritannien und in den USA die jüngsten Fernsehauftritte des britischen Prinzen Harry. Er hatte in der Nacht zum Montag in zwei Interviews seine bereits medial gestreuten Vorwürfe gegenüber dem britischen Königshaus ausgebreitet.

Kritik und Wunsch nach Versöhnung

Harry kritisierte die Königsfamilie dafür, dass sie private Geschichten und Narrative an britische Boulevardmedien heimlich durchgestochen habe, um ihn schlecht aussehen zu lassen. Er sagte, man habe sich mit dem Teufel ins Bett gelegt, äußerte aber auch den Wunsch nach Versöhnung.
Die beiden Auftritte im britischen Fernsehsender ITV und im US-Kanal CBS bereiten die Veröffentlichung seiner Autobiografie "Spare" (Reserve) vor, die am 10.1.2023 erscheint.

"Radikale Selbstentblößung"

Es gehe dem Prinzen vermutlich um mehr als maximale mediale Aufmerksamkeit, sagt der Historiker Leonhard Horowski, der sich mit Königsdynastien in der Geschichte beschäftigt hat. Allerdings gewinne man den Eindruck, dass man "unfreiwillig mit auf der Therapiecouch sitzt".
Harry spreche sehr offen über seine privaten Probleme, aber diese müssten nicht zwangsläufig mit dem Verhalten seiner Familie zusammenhängen. Offenbar glaube der Prinz aber, diese Probleme nur noch mit einer "radikalen Selbstentblößung" lösen zu können: "So nach dem Motto: alles muss raus." Ganz egal, welche Konsequenzen das habe, sagt Horowski.
Die britischen Prinzen WIlliam und Harry mit ihren Ehefrauen bei der Beerdigung von Königin Elizabeth im Dezember.
Bei der Beerdigung von Königin Elizabeth im Dezember waren die Brüder William und Harry mit ihren Ehefrauen noch zusammen aufgetreten. © picture alliance / empics / Kirsty O'Connor
Als Historiker hätten ihn Vergleichsfälle interessiert, so Horowski. Schon seit mehr als tausend Jahren, seitdem es Monarchien in Europa mit einigermaßen festgelegter Thronfolge gebe, habe sich die Frage gestellt, was man mit den jüngeren Söhnen mache. Sie würden als "Reserve" gebraucht und wachsen von Anfang an mit dem Wissen auf, dass ihr älterer Bruder der Chef werde und sie selbst "nur für den Notfall" gebraucht würden, so der Historiker.

Früher kam es zu Bürgerkriegen

Doch im Vergleich zum Mittelalter, wo solch eine Ausgangslage in Bürgerkriege münden konnte, sei dieser heutige Konflikt noch relativ harmlos. Früher sei es normal gewesen, dass königliche Brüder schwierige Beziehungen zueinander hatten.
Die Brüder von Friedrich dem Großen hätten sich noch gewünscht, dass ihre Mutter eine Fehlgeburt habe. "So steht es in den Briefen", sagt Horowski. Es habe ihn dennoch erstaunt, wie sich dieses alte Muster wiederhole.
Früher hätten königliche Geschwister um Macht und Rang gekämpft, sagt Horowski. "Heute ist Macht gar nicht mehr vorhanden beim Königshaus, nur noch innerhalb der Familie ganz schwach eigentlich." Deshalb werde heute um mediale Aufmerksamkeit gekämpft.

Schaden für die Monarchie

"Er schadet natürlich der Monarchie als Institution und dem Königshaus", glaubt der Historiker. "Aber ich glaube, dass es letztlich für ihn selbst größere Nachteile mit sich bringt."
Die Monarchie habe die Schwerkraft auf ihrer Seite und müsse nicht viel tun. Am 6. Mai 2023 stehe die Krönung von Charles an. Dazu müsse sich Prinz Harry dann verhalten und es stelle sich die Frage, "ob er kommt, oder ob er sich verweigert und quasi den Eklat noch größer macht". Das Königshaus werde das alles nicht kommentieren.

Wenig Sympathien für Prinz Harry

In der Gesellschaft beobachtet Horowski einen Kulturkampf zwischen traditionell, konservativen Briten und einer Gruppe, die sich als eher progressiv verstehe.
Die zweite Gruppe halte es eigentlich für richtig, über psychische Probleme zu reden, die andere lehne das eher ab. Der Historiker glaubt zu beobachten, dass derzeit beide Lager Harrys Auftritte kritisch beurteilen, ganz nach dem Motto: "Ach Junge, muss das jetzt sein?"
(gem)

Leonhard Horowski: "Das Europa der Könige.
Über die höfische Gesellschaft des 17. und 18. Jahrhunderts"
Rowohlt Verlag 2018
1158 Seiten, 22 Euro

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