Primatenforscher Christophe Boesch

Ein Leben mit und für Schimpansen

34:27 Minuten
Primatenforscher Christophe Boesch in seinem Büro am Max-Planck-Institut in Leipzig | Deutschlandfunk / Lennart Pyritz
Bringt jede Menge Geduld bei seinen Forschungsvorhaben auf: Christophe Boesch. © Deutschlandfunk/Lennart Pyritz
Moderation: Tim Wiese · 06.08.2020
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Kaum jemand kennt Schimpansen so wie er: Christophe Boesch erforscht das Verhalten von Primaten. Dafür lebte er viele Jahre im Urwald, zeitweise mit Frau und Kindern. Mit der Stiftung Wild Chimpanzee Foundation trägt er zum Schutz der Tiere bei.
Die meisten Schimpansen weltweit leben in Guinea. Deshalb arbeitet der Schweizer Christophe Boesch mit seiner "Wild Chimpanzee Foundation" seit zwei Jahren daran, in dem westafrikanischen Land einen neuen Nationalpark zu gründen. "Wir haben eine Zählung im ganzen Land gemacht und haben da einen Ort gefunden, wo wir ungefähr 5000 Schimpansen haben." Das seien mehr als in Liberia, Sierra Leone und der Elfenbeinküste zusammen.

Der Klimawandel vernichtet Lebensräume

Die Regierung Guineas hat sich das Ziel gesetzt, 15 Prozent des Landes offiziell als Schutzfläche auszuweisen. Bedroht sind die Tiere nicht nur durch Wilderei, sondern zunehmend auch durch die Veränderungen ihres Lebensraumes:
"Die Natur leidet in vielen dieser afrikanischen Länder - Senegal, Mali, Burkina Faso - unter den klimatischen Änderungen. Entwaldung ist das Hauptproblem, es regnet viel weniger, es wird viel heißer. Auch für die lokale Bevölkerung ist das jetzt eine Stresssituation", sagt Boesch.
Beim Schutz der Tiere hilft es, die Bewohner der umliegenden Dörfer mit Jobs direkt einzubinden. In Guinea ist dies teilweise einfacher als anderswo, da die meist islamischen Einwohner keine Affen essen.
Was den Affen vom Menschen trenne, sei "die große Frage", meint Boesch: "Als Forscher sollten wir sagen, wir wissen es noch nicht." Beim Menschen kennen wir Tausende von Kulturen. Von Schimpansen sind dagegen nur zwölf Populationen bekannt. Umso wichtiger sei es, bestehende Gruppen zu schützen: "Die Zeit rennt uns davon."
Boesch ist sich sicher: Schimpansen weisen von Gruppe zu Gruppe verschiedene Kulturen auf - das zeige schon der unterschiedliche Gebrauch von Werkzeugen.

Geduld ist enorm wichtig

Bis vor kurzem war Boesch Direktor der Abteilung für Primatologie am Max-Planck-Institut in Leipzig. Auf den Gedanken, Tierforscher zu werden, war er bereits als Kind nach der Lektüre eines Buches des österreichischen Verhaltensforschers Konrad Lorenz gekommen. "Das hat mich fasziniert. Später habe ich das Buch von George Schaller, dem berühmten Gorillaforscher, gelesen. Und dann habe ich mir gesagt: Das möchte ich machen."
Seine erste Feldforschung brachte Boesch als Studenten nach Ruanda, wo er ebenfalls Gorillas beobachtete. Dort lernte er auch die bekannte Verhaltensforscherin Dian Fossey kennen. Und er erfuhr, wie kompliziert es ist, Primaten an die Gegenwart von Menschen zu gewöhnen, die die Tiere eigentlich als Feinde wahrnehmen: "Da hilft nur Geduld", stellt Boesch fest.
Genauso erging es ihm bei seiner ersten Langzeitbeobachtung im Taï-Nationalpark in der Elfenbeinküste. Zwölf Jahre lang wohnte er mit Frau und Kindern in einer Hütte im Wald - inmitten einer Schimpansengruppe. "Es hat fünf Jahre gedauert, bis der erste Schimpanse sich wieder so verhalten hat, wie er es getan hat, bevor er uns gesehen hatte."

Schimpansen-Weibchen sind geschickter

Geholfen bei der Langzeitbeobachtung hat ihm der Umstand, dass die Schimpansen lautstark Nüsse mit Hämmern knackten - und so leicht zu finden waren. Anhand der Hinterteile der weglaufenden Schimpansen konnte er feststellen, wer was geknackt hat, und dass weibliche Schimpansen wesentlich effizienter waren als die Männchen:
"Meine Doktorarbeit war sozusagen eine Hinternstudie von Schimpansen. Die Feministinnen der 80er Jahre haben unser Resultat mit Freude aufgenommen. Wir haben das auch in unserer Publikation gesagt, dass es bei den Urmenschen vielleicht die Frauen waren, die die Werkzeuge erfunden haben."
(mah)

Eine Wiederholung vom 24. Oktober 2019.
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