Pralle Theatertage in Buenos Aires

Von Victoria Eglau |
Zum dritten Mal findet in Buenos Aires die internationale Theaterakademie Panorama Sur statt. Teilnehmer sind junge Autoren, Regisseure und Choreografen aus acht Ländern Lateinamerikas. Panorama Sur wird vom Goethe-Institut und der Siemens-Stiftung unterstützt und soll den Austausch, die Vernetzung und die Zusammenarbeit zwischen den lateinamerikanischen Theatermachern stimulieren. In Buenos Aires, dem Theater-Mekka des Subkontinents, werden die Teilnehmer eine Fülle von Aufführungen sehen, Dramaturgen und Regisseure treffen sowie an eigenen Texten arbeiten. Panorama Sur bringt außerdem eine Reihe von ausländischen Theaterstücken nach Buenos Aires.
"Es gibt kein lateinamerikanisches Netz von Theatermachern. Jede lokale Theaterszene ist isoliert. Etwa existieren keine Verbindungen zwischen dem argentinischen und dem chilenischen Theater, zwischen Autoren beider Länder. Unsere Idee war also, Brücken zwischen den Theaterszenen zu schlagen, sie zu vernetzen."

erklärt Cynthia Edul, argentinische Dramaturgin und Dozentin. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Alejandro Tantanian leitet sie die Theaterakademie Panorama Sur. In diesem Jahr sind erstmals Autoren und Regisseure aus Kuba, Bolivien und Venezuela dabei, die mit Stipendien des Goethe-Instituts nach Buenos Aires gekommen sind. Für das Institut ist die Beteiligung an Panorama Sur eine Premiere, die Siemens-Stiftung unterstützte das Projekt von Anfang an. Ihr Kurator Joachim Gerstmeier skizziert das Ziel der internationalen Arbeitsplattform:

"Dass einerseits die Argentinier mehr wahrnehmen konnten, was eigentlich in Bolivien, in Peru, in Kolumbien, Chile usw. die Menschen bewegt, und wie die Theaterszenen dort komplett anders funktionieren, strukturell andere Defizite natürlich haben als hier in Argentinien. Aber es war natürlich auch ne große Ressource für die Künstler aus anderen Ländern, zu sehen, was in Argentinien, in dieser reichen Theaterszene, alles stattfindet."

Die vierwöchige Theaterfabrik Panorama Sur steht auf mehreren Säulen: parallel zur Akademie werden mehrere ausländische Produktionen gezeigt. Den Anfang macht morgen das Stück "H3" des Brasilianers Bruno Beltrao und seiner Tanzkompanie Grupo da Rua, die mit Streetdance- und Capoeira-Elementen arbeitet. Beltrao und andere hochkarätige Theatermacher, darunter der US-Amerikaner Richard Maxwell, halten in Buenos Aires öffentliche Masterclasses ab. Außerdem finden Workshops für lokale Künstler statt, unter anderem mit dem Choreografen und Tänzer Christopher Roman vom Forsythe-Ballett in Frankfurt am Main.
Auch in diesem Jahr werden sich die Akademieteilnehmer aus ganz Lateinamerika wieder durch das pralle Theaterprogramm von Buenos Aires arbeiten, gemeinsam mit Cynthia Edul:

"Ich habe eine Reihe von Werken ausgewählt, die mir wegen ihres Textes und ihrer Inszenierung interessant erschienen. Wir werden uns jeden Abend Stücke ansehen, dann die Texte lesen und analysieren, und schließlich unterhalten wir uns mit dem Dramaturgen und dem Regisseur. Wir demontieren die Theaterstücke quasi, brechen die Inszenierung auf den Text herunter."

Die jungen Theatermacher haben auch Gelegenheit, an eigenen, neuen Stücken zu arbeiten, und ihre Ideen und Fortschritte mit den anderen Teilnehmern zu besprechen. All das unter der Leitung von Alejandro Tantanian, argentinischer Dramaturg und Mitinitiator von Panorama Sur. Für Tantanian trägt die lateinamerikanische Theaterplattform bereits Früchte:

"Mehrere ehemalige Akademieteilnehmer arbeiten zusammen. Und in diesem Jahr werden wir bei Panorama Sur ein Stück von Martin Lopez Brie präsentieren, einem argentinischen Autor, der in Mexiko lebt und 2010 an der Akademie teilgenommen hatte. Das Netz beginnt, sichtbar zu werden, und das nach gar nicht so langer Zeit."

Tristana Landeros, mexikanische Theaterautorin aus dem ersten Jahrgang von Panorama Sur, wird in Buenos Aires ein Buch über Dramaturgie vorstellen. Sie schwärmt noch heute von ihrer Akademieteilnahme.

"Das war eine ganz neue Erfahrung der Theaterarbeit – anders als das, was ich kannte. Interessant zu sehen, wie die Theater und Ensembles in Buenos Aires funktionieren. Und der Austausch mit Autoren aus anderen Ländern war sehr bereichernd. Wenn man in seinem Land arbeitet, schreibt man über Themen, die mit dem eigenen Umfeld zu tun haben. Hier, in Buenos Aires, fühlte ich mich zu neuen Themen angeregt. Ich schrieb plötzlich über Dinge, von denen ich nie gedacht hätte, dass ich sie ins Theater bringen könnte."

So siedelte Tristana Landeros das Stück, das sie in Buenos Aires schrieb, in einem Antiquitätenladen an – ein Ort, der in ihrer Heimatstadt San Luís Potosí eher selten zu finden ist. Bei den Diskussionen mit ihren Dramaturgenkollegen stellte die Mexikanerin aber auch fest, dass Themen gleichzeitig lokal und universell sein können, dass ihre Ideen verstanden wurden. Ebenfalls wertvoll für Tristan Landeros: der direkte Draht zu argentinischen Theatermachern:
"In Mexiko werden die Künstler bewundert, sie stehen auf einer Art Podest. Hier in Buenos Aires sind sie zugänglicher. Ich glaube, deswegen gehen die Leute auch mehr ins Theater. Vielerorts in Lateinamerika fehlt Publikum, aber in Buenos Aires sind die Theater voll."
Die argentinische Autorin Betina Bracciale, die letztes Jahr an Panorama Sur teilnahm, profitierte besonders vom Austausch mit anderen Nachwuchs-Theaterleuten:

"Ich fand meine Kollegen sehr interessant und gut ausgebildet. Wenn ich aus meinem Text vorlas, bekam ich von den anderen jedes Mal Ideen und Empfehlungen. Das half mir, das Theaterstück zu Ende zu schreiben und an mein Projekt zu glauben. Eine Regisseurin, die ich bei Panorama Sur kennengelernt habe, wird mein Stück wahrscheinlich in einigen Monaten auf die Bühne bringen – für mich persönlich eines der wichtigsten Ergebnisse der Theaterakademie."

Links bei dradio.de:

Temporäre Theaterakademie "Panorama Sur"
Macher aus der ganzen Welt trafen sich in Buenos Aires


Link zum Thema:

Theatertage Panorama Sur in Buenos Aires
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