Prager Begegnungen

Moderation: Sigried Wesener · 11.11.2012
Marion Brasch erzählt in ihrem Romandebüt vom Zerfall ihrer Familie und ihrem zwiespältigen Lebensgefühl in der DDR. Die Prager Schriftstellerin Petra Hulová beleuchtet in ihrem neuen Buch die Zeit vor der "Samtenen Revolution" in der Tschechoslowakei.
Die Nahaufnahme einer prominenten Familie aus Berlin in der DDR. Marion Brasch erzählt in ihrem Romandebüt aus der Perspektive des jüngsten Kindes, erobert sich schreibend ihre Herkunft zurück. Aufgewachsen in einer deutsch-österreichischen Familie mit jüdischen Wurzeln, erlebt sie das verbohrte autoritäre Gehabe des Vaters, eines bekannten Kulturfunktionärs, und die Rebellion der älteren drei Brüder dagegen als stille Beobachterin.

Unter den Brasch-Brüdern mit ihren ehrgeizigen künstlerischen Ambitionen, machte vor allem Thomas, der älteste, als Schriftsteller, Shakespeare-Übersetzer und provokanter Widerspruchsgeist von sich reden. 1968 protestierte er gegen die russischen Panzer in Prag und verließ acht Jahre später das Land, an dem die Hoffnung der Eltern hing.

Zur Adoleszenzgeschichte von Marion Brasch gehört das tragische Auseinanderfallen ihrer Familie, der Karrierebruch des Vaters, der frühe Tod von Mutter und Brüdern. Der viel diskutierte Roman ist ein authentischer Bericht über ihr zwiespältiges Lebensgefühl in der DDR.

Bereits mit ihrem ersten Buch "Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe" über drei Frauen aus einem Nomadenclan machte das junge Erzähltalent aus Prag, Petra Hulová, auf sich aufmerksam. Inzwischen sind ihre Romane in Tschechien Bestseller. Die 1979 geborene Autorin, die an der Prager Karlsuniversität unter anderem Mongolistik studiert hat, bewegt sich schreibend auch in den multikulturellen Szenen von Russland in "Endstation Taiga" oder den USA in "Manches wird geschehen" und kehrt in ihren Büchern immer wieder in die tschechische Gegenwart zurück.

Ihr jüngster Roman "Strázci obcanskeho dobra" beleuchtet die Zeit vor der "Samtenen Revolution". Die Erzählerin wirft überraschende Blicke auf Menschen in Umbruchsituationen und kratzt auch an gesellschaftlichen Selbstüberschätzungen. Über die Herbstdemonstrationen 1989, die sie als Kind erlebt hat, schreibt sie: "Mich persönlich interessierten an der Revolution am meisten die Kerzen."

Kooperation mit dem Goethe-Institut Prag
Aufzeichnung vom 31.10.2011