Präzisionssport Casting

Angeln ohne Fisch und Wasser

05:28 Minuten
Der deutsche Jens Nagel ist 2013 bei der 38. Weltmeisterschaft im Castingsport in Halle auf der Wiese mit seiner Angel im Einsatz.
Casting lässt sich ohne Fisch und Wasser überall betreiben. © dpa-Zentralbild/ Jens Wolf
Von Jonas Lüth · 30.08.2020
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Mit ihren Angeln zielen sie auf eine Art Riesen-Dartscheibe auf dem Boden - ganz so, als würfen sie Köder aus. Das nennt sich "Casting" - und hilft nicht nur, ein besserer Angler zu werden, sondern ist auch ein eigenständiger Turniersport. Seit 1864.
Es ist Sonntag und überall stehen Angler, die ihre Ruten auswerfen. Doch irgendetwas fehlt: Wasser!
Auf dem Sportplatz in Berlin-Spandau wird trocken geangelt. Mit klassischer Angel, aber eben ohne Wasser und ohne Fisch. Am Ende der Angelschnur baumelt ein Kunststoffgewicht statt eines Köders. "Casting" heißt dieser Sport, zu dem sich heute etwa 20 Sportler und eine Sportlerin zu einem Wettkampf versammelt haben.
"'To cast' heißt werfen. Kommt also aus dem Englischen. Aber auf der anderen Seite guckt man in die Medien und dann liest man, Dieter Bohlen macht wieder ein Casting. Das sind eben zwei paar Schuhe!"
Und so solle man, um Verwirrung zu vermeiden, besser von Castingsport sprechen, meint Kurt Klamet, Vizepräsident des veranstaltenden Angelverbandes VDSF. Anstatt auf Fischschwärme zielt man hier auf eine Art überdimensionierte Dartscheibe auf dem Boden.
"Bei uns ist das Ziel ein bisschen größer als beim Dart. 3,50 Meter der Außendurchmesser. Ist ein grünes Tuch mit weißen Ringen. In der Mitte ein schwarzer Zielkern, Durchmesser 75 Zentimeter", erklärt Lutz, professioneller Castingtrainer des Verbands.
"Zehn Meter, zwei Würfe Unterhand oder Pendelwurf: wird von unten her geworfen. Dann geht man auf die zweite Entfernung: rechter Seitenwurf. Und dann kommt man auf 14 Meter, wir machen den linken Seitenwurf. Auf 16 Metern ist es beliebig, da können die Leute werfen, wie sie möchten, und dann geht man auf 18 Meter und macht den Überkopfwurf von oben herüber."

Turniersport seit 1864

Gezielt, anvisiert, Schwung – und los. "Klack" macht es, wenn man die Zielscheibe erfolgreich in der Mitte trifft. Neben den üblichen Präzisionswürfen gibt es heute auch eine selten praktizierte Disziplin: den Weitwurf. Dabei wird versucht, den Köderersatz ähnlich dem Speerwurf so weit wie möglich zu schleudern.
Das erste Turnier im Castingsport fand 1864 in den USA statt. Auch in Deutschland wird der Sport in Wettbewerbsform mittlerweile seit fast einem Jahrhundert betrieben. Aber warum, wenn man doch auch im Wasser angeln kann?
"Wer erfolgreich angeln will, muss auch sein Gerät beherrschen, und dadurch ergänzen die sich beide. Es geht nicht ohne Werfen. Dann kommen wir wieder zu den lustigen Kommentaren wie 'Gummischuhe rausholen' oder in den Büschen oder Bäumen hängen mit dem Haken. Das ergibt sich einfach daraus. Wie beim Führerschein. Ich muss mein Gerät beherrschen", sagt Kurt Klamet, auch Präsident der internationalen Castingföderation.
Auf dem Sportplatz in Berlin-Spandau wird trocken geangelt. Mit klassischer Angel, aber eben ohne Wasser und ohne Fisch.
Ein Angler auf dem Trockenen, 99 Prozent der Castingsportler sind auch Mitglied in einem Angelsportverein.© Deutschlandradio/ Jonas Lüth
Internationale, aber auch nationale und Landesmeisterschaften fallen dieses Jahr pandemiebedingt aus. Der Leistungssport pausiert.
Der Breitensport dagegen darf unter Hygieneauflagen stattfinden, auch wenn das Casting hier eine ganz eigene Geschichte hat. Teilnehmer Helmut erzählt, wie in seinem Verein alles begann:
"Das war so um 2000 rum. Da gab es kein Casting für uns. Und dann hatte der erste Vorsitzende auf einmal verkündet, dass wir jetzt da was machen müssen, wovon wir gar keine Ahnung haben."

Angeln mit Fisch wird nicht als Sport gefördert

"Tatsache ist aber, dass der Landessportbund in Berlin nur Castingsport fördert. Er sagt: Fische fangen zählt er nicht als Sport", so Kurt Klamet. "Überall, wo ein Lebewesen mitbeteiligt ist, gibt es immer auch ganz starke Kritik von bestimmten Verbänden."
Dabei versuche man doch im Einklang mit der Natur zu fischen: "Wir nutzen die Natur, wir schützen sie aber auch."
Die Angelvereine des Verbands würden lediglich Arten befischen, deren Fischbestände offiziell reduziert werden sollen. Der langjährige Angler Helmut findet:
"Was machen denn die Fischer mit ihren Schleppnetzen? Die töten nicht jeden einzelnen Fisch. Die werden zerquetscht. Und was machen wir? Wir müssen den keschern, wenn er dran ist. Dann haust du ihm auf den Kopf, Herzstich und dann machst du den Haken raus. Also ganz human. So wie das schon jeder Angler vor 100 Jahren gemacht hat. Und das wird nicht mehr unterstützt."
Um also "richtig" offiziell Sport zu betreiben, braucht es das Casting. Inzwischen ist es zum elementaren Bestandteil des Angelns geworden. "Jetzt hat man sich dran gewöhnt und will zeigen, dass man richtig gut werfen kann."

Castingtraining hilft beim "echten" Angeln

Mittlerweile mache es aber Spaß, regelmäßig zu trainieren und zu den Turnieren zu kommen. Und sinnvoll sei es auch: "Dieser Castingsport hilft einem zu werfen."
Kurt Klamet sagt: "99 Prozent aller Castingsportler sind auch Mitglied einer Angelorganisation."
Bei der feierlichen Siegerehrung des Castingturniers werden die ersten Ränge – wie seit Jahrhunderten üblich – mit dem Anglergruß bejubelt:
"Petri Heil!" – Petri Dank.
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