Präsidentschaftswahl in der Ukraine

Hoffen auf starkes Signal

Wahlplakate in der Ukraine unter anderen Petro Poroschenko (M.) und Julia Timoschenko (r.) in einer Straße in Kiew.
Wahlplakate in der Ukraine unter anderen Petro Poroshenko (M.) und Julia Timoschenko (r.) in einer Straße in Kiew. © picture alliance / dpa / Maksim Blinov
Moderation: Julius Stucke · 24.05.2014
"Es ist nicht sicher, ob die Bürger den Mut haben, außer Haus zu gehen", sagt die Wahlbeobachterin Barbara Weiler (SPD) vor der Ukraine-Wahl. Gerade im Osten des Landes könnte es Probleme bei der Durchführung geben.
Julius Stucke: Das Europaparlament ist auf Wahlbeobachtungsmission, aber nicht hierzulande, um die vielen Europamuffel zur Urne zu scheuchen – dann würde der Name auch irreleiten, so viel gibt es hier nicht zu beobachten –, nein, in der Ukraine: die Präsidentschaftswahlen werden beobachtet durch das Europäische Parlament. Als Deutsche mit dabei ist Barbara Weiler, SPD-Abgeordnete im Europaparlament, wir erreichen Sie in Kiew. Frau Weiler, schönen guten Morgen!
Barbara Weiler: Guten Morgen, Herr Stucke!
Stucke: Frau Weiler, wo werden Sie die Wahl beobachten, in welcher Stadt?
Weiler: Ja, ich hatte mich beworben für Odessa, aber unsere Verwaltung sagte, das ist zu gefährlich, und deshalb musste ich mir eine andere Stadt aussuchen, und ich fahre jetzt nach Bila Tserkva, 80 Kilometer südlich von Kiew.
Stucke: Also an einen eher unproblematischen Ort, Sie sagen es, wo keine Gewalt zu erwarten ist. Sind Abgeordnete des Europaparlaments denn auch in kritischeren Regionen?
Weiler: Nein, das ist ... Da werden einige Beobachter der OSZE sein, also im Osten und im Norden, aber wir sind eingesetzt in Gebieten, wo es keine kriegerischen Auseinandersetzungen gibt.
Stucke: Glauben Sie denn daran, dass die Wahlen reibungslos ablaufen, reibungslos genug, um von allen Menschen in der Ukraine dann auch akzeptiert zu werden?
Weiler: Ja, im Osten sind wir da nicht ganz sicher. Aber wir erwarten trotzdem noch, dass bis Samstag - jedenfalls alle Bemühungen laufen dahin, dass die Bürger und Bürgerinnen im Osten doch Gelegenheit haben werden, ihren Willen zu äußern, doch noch zu Wählen, wenn nicht in dem Wahllokal, wo sie eigentlich zugeteilt sind, dann vielleicht doch im Nachbarort. Da werden also Möglichkeiten geschaffen, dass sie dann dort ihre Stimme abgeben. Aber es ist nicht sicher, ob die Bürger wirklich auch dann den Mut haben, außer Haus zu gehen, wenn sie damit rechnen müssen, attackiert zu werden.
Angst vor Attacken gegen Wähler
Stucke: Ja. Wie stark ist denn Ihrer Ansicht nach dann das Signal, was von diesen Wahlen ausgeht?
Weiler: Ja, das kommt drauf an. Wenn es 70, 80, 90 Prozent der Bürger sind, die dennoch wählen, dann ist es schon ein starkes Signal. Außerdem ist jetzt in der Tat es dringend notwendig, dass auch die jetzige Übergangsregierung in Kiew eine Legitimation erfährt, denn sie sind ja im Grunde auch noch eingesetzt worden ohne Wahlen.
Stucke: Frau Weiler, ich habe folgende Aussage von Ihnen gelesen: "Die Parlamentarier leisten als Beobachter einen Beitrag dazu, dass das Wahlergebnis von der gesamten Bevölkerung akzeptiert wird." Glauben Sie, dass auch die Menschen im Osten der Ukraine, die jetzt gegen die Übergangsregierung sind, die nicht wählen wollen und für die das Europaparlament und die EU ja auch eine bestimmte, eine kritische Rolle spielen, dass diese Menschen sagen: Mensch, das Europaparlament hat es beobachtet, also akzeptieren wir das?
Weiler: Nein, nein, das glaube ich nicht. Es ist auch nicht alleine eine Bestätigung für die Menschen dort, sondern in jedem Land, wo es einen Putsch gab und wo hinterher ordentliche, korrekte Wahlen stattfinden, ist das ein Signal auch für die internationale Gemeinschaft, für die UNO, für die OSZE, die ja auch Gelder zum Wiederaufbau bereitstellen, und ohne legitime, korrekte Wahlen wird das nicht passieren. Und darum ist es auch so wichtig, dass Beobachter dort sind. Wir sind ja nicht die einzigen, hier gibt es eine große Anzahl von verschiedenen unabhängigen Beobachtern.
"Eine große Anzahl von unabhängigen Beobachtern"
Stucke: Aber sind auch Sie wirklich unabhängige Beobachter als Mitglieder des Europaparlaments und damit doch auch Teil des ganzen Konflikts, der gerade stattfindet?
Weiler: Nein, das sehe ich nicht so. Wir würden ja auch nicht die Ereignisse, die vergangenen Ereignisse kommentieren, sondern wir sollen nur nach dem Modus, den wir alle für Wahlen aufgestellt haben, prüfen, ob die diskriminierungsfrei vor sich gehen, ob Bürger tatsächlich diese Wahl haben und ob das störungsfrei abläuft. Ich denke, dass diese Beobachtung erst einmal nichts mit der politischen Bewertung der jetzigen Übergangsregierung oder der neuen zu tun hat. Das ist ein technischer Vorgang, der sicherstellen muss, dass die Wahlen überhaupt korrekt waren. Die politische Weiterentwicklung ist etwas anderes, und darum sind wir da auch mit Bewertungen vorsichtig als Wahlbeobachter.
Stucke: Wie wichtig war denn die Bewertung, das Signal, das Präsident Putin gestern gegeben hat, indem er gesagt hat: Wir werden jedes Ergebnis respektieren?
Weiler: Ganz erstaunlich. Ich habe das zwar ein wenig erwartet, aber da ich mir nicht vorstellen kann, dass Russland langfristig daran gelegen sein kann, die Region zu entstabilisieren,- Das kann ich mir nicht vorstellen, wenn das auch immer wieder behauptet worden ist, aber das waren auch gegenseitige Manöver, um zu überlegen, was man aus diesen Auseinandersetzungen vielleicht noch an Machtposition herausschlägt. Ich bin als Vernunftmensch gehe ich immer noch davon aus, dass alle Seiten ein Interesse haben, dass dieser Konflikt möglichst schnell sich in zivile, demokratische Bahnen überschlägt.
Stucke: Sagt Barbara Weiler, SPD-Abgeordnete im Europaparlament und gerade als Wahlbeobachterin in der Ukraine. Frau Weiler, ich danke Ihnen sehr fürs Gespräch!
Weiler: Wiederhören, Herr Stucke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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