Präsidentschaftswahl in Belarus

"Massive Wahlfälschung bringt Menschen auf die Straße"

08:04 Minuten
Swetlana Tichanowskaja kurz nach der Stimmabgabe am Sonntag.
Sie gilt als demokratische Hoffnung des Landes: Swetlana Tichanowskaja, hier kurz nach der Stimmabgabe am Sonntag. © imago images / ITAR-TASS / Natalia Fedosenko
Marina Naprushkina im Gespräch mit Gabi Wuttke · 09.08.2020
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Amtsinhaber Lukaschenko hat die Präsidentschaftswahl in Belarus nach offiziellen Angaben gewonnen. Die Aktivistin Marina Naprushkina spricht von Wahlbetrug. Ergebnisse "streikender" Wahllokale zeigten einen Sieg von Swetlana Tichanowskaja.
80,2 Prozent der Stimmen entfielen bei der Präsidentschaftswahl in Belarus offiziellen Angaben zufolge auf den seit 26 Jahren regierenden Autokraten Alexander Lukaschenko. Seine Herausforderin Swetlana Tichanowskaja soll hingegen nur 6,8 Prozent der Stimmen erhalten haben.
Doch die Wahl fand nicht erst heute statt, seit Tagen gab es eine sogenannte Vorwahl, man konnte also schon fünf Tage vorher seine Stimme abgeben - sei es durch Briefwahl oder in den Wahllokalen. Die Opposition rief allerdings dazu auf, erst am Sonntag wählen zu gehen. Bevor die Wahllokale am Hauptwahltag öffneten, ließ die Regierung verlauten, dass 40 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme bereits abgegeben hätten.

"Streikende" Wahllokale: 60 Prozent für Tichanowskaja

Hier handle es sich klar um Wahlfälschung zugunsten von Lukaschenko, meint die Aktivistin und Künstlerin Marina Naprushkina. Sie hat die letzten Wochen vor der Wahl und den heutigen Hauptwahltag intensiv verfolgt. Naprushkina berichtet von "streikenden" Wahllokalen in Minsk und anderen Städten, die die tatsächlichen Wahlergebnisse veröffentlicht hätten, demnach komme Tichanowskaja auf 60 Prozent und der Amtsinhaber auf nur 20 Prozent der abgegebenen Stimmen.
Lukaschenko mache die hohe Selbstorganisation der Wähler nervös, berichtet Naprushkina. Ein Resultat dieser Vereinigung ist die unabhängige Webseite "Plattform Stimme", auf der man seine Stimme abgeben konnte. Eine Million Wählerinnen und Wähler hätten dies auch getan, sagt sie. Aus Sicht der Regierung natürlich eine Ungeheuerlichkeit. Von einer "Schattenwahlkommission" ist die Rede, wie Naprushkina berichtet.

Drei Frauen vereint gegen einen Diktator

"Wir sind wahnsinnig stolz auf das, was die Menschen geleistet haben in Belarus. Wir haben jetzt die Situation, dass drei Frauen sich vereint haben und gegen einen Diktator vorgehen", sagt die Künstlerin.
Neben Swetlana Tichanowskaja sind das Weronika Zepkalo, die Ehefrau eines anderen Oppositionellen, der zur Wahl nicht zugelassen wurde, und Maria Kolesnikowa, die den Wahlkampf von Viktor Babariko managen wollte. Dieser sitzt nun aber in Untersuchungshaft. Ihm wird Geldwäsche vorgeworfen.
In der Nacht strömten unterdessen die ersten Menschen auf die Straßen, um gegen den Wahlausgang zu demonstrieren - größtenteils unorganisiert, wie Naprushkina berichtet, da das Internet gestört ist. Den Demonstrierenden steht ein massives Aufgebot an Sicherheitskräften gegenüber. Von Zusammenstößen wird berichtet.
(ckr)
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