Posten-Poker in Brüssel

Von wegen Kungelei!

08:03 Minuten
Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), spricht am 21.04.2016 während der EZB-Pressekonferenz in Frankfurt am Main (Hessen).
Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, wird seinen Posten räumen. Wer ihm an der Spitze der EZB nachfolgt, ist noch offen. © dpa / picture alliance / Arne Dedert
Tanja Börzel im Gespräch mit Julius Stucke · 20.06.2019
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Nach der Europawahl wird in Brüssel über die Besetzung wichtiger Posten verhandelt, etwa über die Nachfolge von EZB-Präsident Mario Draghi. Hinterzimmer-Kungeleien seien das aber nicht, meint die Politikwissenschaftlerin Tanja Börzel.
Nach der Europa-Wahl wird in Brüssel aktuell um die Besetzung der Posten und Funktionen gerungen, wie Ratspräsident oder Ratspräsidentin, die neue Leitung der EZB und den Chef oder die Chefin der EU-Kommission. Doch dass das im Hinterzimmer "ausgekungelt" wird, wie Brüssel oft vorgeworfen wird, das stimme so nicht, meint die Politikwissenschaftlerin Tanja Börzel von der Freien Universität Berlin: "Im Gegenteil: Ich finde, die öffentliche Aufmerksamkeit, was die Kandidaten und Kandidatinnen angeht, zeigt ja, dass das durchaus nicht nur in den Hinterzimmern in Brüssel stattfindet."
Und sie sagt: "Es gibt klare Verfahren für die Bestimmung der fünf Spitzenpositionen."

Wer nach welchen Prinzipien entscheidet

Transparenz sei für sie, festgelegt zu haben, wer da nach welchen Prinzipien entscheidet und dass man hinterher auch nachvollziehen kann, wie die entsprechenden Institutionen zu ihren Entscheidungen gekommen sind. "Ich finde, in diesem Sinne ist die Europäische Union hier schon sehr transparent", meint Börzel.
Die EU-Politiker würden sich an das halten, was die Verträge vorgäben - und die seien an dieser Stelle nunmal nicht sehr konkret. Es gäbe eben noch kein europäisches Parteiensystem, wo europaweit wählbare Parteien ihren Spitzenkandidaten oder -kandidatin nominierten. "Die Europäische Union ist ein integrierter Verbund, aber sie ist eben noch kein Staat."

Macht und Interessen - und Ausgeglichenheit

Natürlich ginge es auch immer um Macht und Interessen, aber: "Die Idee, das Ganze als Paket zu verhandeln, ist nachvollziehbar", sagt die Politik-Expertin. Es würde dabei dann auf eine ausgeglichene Parteizugehörigkeit genauso geachtet wie die Frage der Mitgliedsstaaten, damit nicht alle Positionen mit Deutschen oder Franzosen besetzt seien. "Und natürlich spielt auch das Geschlecht eine Rolle", sagt sie. All das ließe sich im Paket viel besser lösen, als wenn man jede einzelne Position für sich isoliert betrachten würde, meint Börzel.
(inh)
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