Popkultureller Blick auf 1968

"Es gab so eine Art Robin-Hood-Logik"

Hauptdarsteller Werner Enke mit seiner Kollegin Uschi Glas (r.) und Regisseurin May Spils bei Dreharbeiten zu einer Bettszene für den Film "Zur Sache Schätzchen" im August 1967. Der Film erzählt die Geschichte eines Schwabinger Studententages mit Zwischenfällen.
Hauptdarsteller Werner Enke mit seiner Kollegin Uschi Glas (r.) und Regisseurin May Spils bei Dreharbeiten zu einer Bettszene für den Film "Zur Sache, Schätzchen" im August 1967. Der Film erzählt die Geschichte eines Schwabinger Studententages. © picture-alliance / dpa
Klaus Walter im Gespräch mit Vivian Perkovic · 03.01.2018
Der Filmstart von "Zur Sache, Schätzchen" markiert den Anfang eines Jahres, das immer gewalttätiger wird: mit dem Attentat auf Rudi Dutschke und der Ermordung Martin Luther Kings und dem ersten RAF-Anschlag. Klaus Walter nimmt die Reflexe dieser Ereignisse in der Popkultur in den Blick.
1968 war das Jahr der großen Revolten, rund um den Globus - das hat auch in der Popkulktur tiefe Spuren hinterlassen. Der Popkritiker Klaus Walter lässt im Deutschlandfunk Kultur Ereignisse aufleben, die für Zäsuren sorgen - politisch und kulturell.
Gleich am 4. Januar 1968 kommt der Film "Zur Sache, Schätzchen" in die deutschen Kinos. Gedreht hat ihn eine Frau, May Spils. Die Hauptrollen besetzt sie mit der 23-jährigen Uschi Glas und dem heute kaum noch bekannten, 25-jährigen Werner Enke.
Für Klaus Walter ist der Film vor allem wegen Werner Enke "geschlechterpolitisch" seiner Zeit weit voraus. Ein lässiger, ironischer Typ. "Der verkörperte da so eine Art neuen Typus Mann (...), so eine Beatnik-Type, schnoddrig, kein Rebell im eigentlichen Sinn, auch nicht so wirklich politisch, aber auch kein Softie, wie man das später genannt hat, sondern eher so ein Typ, der so ein bisschen genervt ist von Autoritäten, von Uniformen, vom spießigen Alltag", meint Walter.
Diesem Film habe die deutsche Umgangssprache auch das Wort "fummeln" zu verdanken.

"Einstand" der RAF: Der Frankfurter Kaufhausbrand am 2. April

Am 2. April brennt in Frankfurt am Main ein Kaufhaus. "Das war sozusagen der historische Einstand der Terrorgruppe Rote Armee Fraktion, die damals noch gar nicht so hieß", sagt Walter.
Diese Form der Gewalt, ein Angriff auf eine "großen Konsumtempel", sei damals durchaus auf Sympathien gestoßen - "es gab so eine Art Robin-Hood-Logik".
"Dutschke-Attentat" - Blick auf den Tatort: Am 11. April 1968 schießt Josef Bachmann den Studentenführer Rudi Dutschke dreimal auf offener Straße an.
"Dutschke-Attentat" - Blick auf den Tatort: Am 11. April 1968 schießt Josef Bachmann den Studentenführer Rudi Dutschke dreimal auf offener Straße an.© Ludwig Binder/Stiftung Haus der Geschichte
Am 11. April schießt der Arbeitslose Josef Bachmann auf offener Straße auf Rudi Dutschke, "damals einer der Sprecher und Schlüsselfiguren der Studentenbewegung". Dieses Attentat habe Dutschke zur "Symbolfigur der Studetenbewegung" gemacht, aber auch zum Opfer einer Hetzkampagne der "Bild"-Zeitung, in deren Folge die Studetenproteste eskalieren.

Schüsse auf Martin Luther King

In den USA brechen die Proteste am 4. April nach dem Mord an dem schwarzen Bürgerrechtler, Martin Luther King, in Memphis aus. Die Situation war äußerst gespannt, viele hatten Angst, die Proteste könnten überkochen, sagt Walter.
Nach der Unterzeichnung des Bürgerrechts-Gesetzes am 2.7.1964 in Washington DC. reicht US-Präsident Lyndon Baines Johnson (l) den Federhalter an den Bürgerrechtler Martin Luther King weiter und gibt ihm die Hand. Das Bürgerrechtsgesetz sollte eine Gleichberechtigung der farbigen Bevölkerung in den Vereinigten Staaten von Amerika garantieren und galt als eine der wichtigsten Gesetzes-Entscheidungen in der Geschichte der USA. King wurde am 4.4.1968 im Alter von 39 Jahren in Memphis von James Earl Ray erschossen.
Nach der Unterzeichnung des Bürgerrechts-Gesetzes am 2.7.1964 in Washington DC. reicht US-Präsident Lyndon Baines Johnson (l). den Federhalter an den Bürgerrechtler Martin Luther King weiter. Kaum vier Jahre später ist der Luther King tot.© picture-alliance / dpa / epa AFP
Am selben Abend tritt James Brown – der Sänger von "Say it loud I'm Black and Proud" in Boston auf und hält eine Rede, die landesweit im TV übertragen wird. "Diese Rede hatte eine große Bedeutung wie eben James Brown auch eine große Bedeutung für die Bürgerrechtsbewegung hatte", sagt Walter und erklärt, dass Brown die Situation durch ein Konzert entspannen konnte:
"Als Martin Luther King ermordet wurde, sollte James Brown ein Konzert in Boston geben. Die Veranstalter wollten das absagen, weil sie Angst hatten, aber James Brown war dagegen. Und er hat das Konzert nicht nur nicht abgesagt hat, es wurde dann live im Fernsehen übertragen. Eine gute Idee, ansonsten hätte Boston gebrannt, hat sein Biograf James Mc Bride gesagt."
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