Polizeigewalt

"Es wird eine Revolution geben"

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Bürger von Los Angeles während einer Protestversammlung, auf der sie Fragen an den Polizeichef der Stadt stellen konnten. © Kerstin Zilm
Von Kerstin Zilm · 21.08.2014
Auch in Los Angeles wurde vergangene Woche ein junger, unbewaffneter Afro-Amerikaner auf offener Straße von einem Polizisten erschossen. Nach den Protesten in Ferguson fordern dort nun vor allem schwarze Bürger Aufklärung. Erinnerungen an die gewalttätigen Rassenunruhen von 1992 werden wach.
Der Pastor der Paradise Baptist Church in South Los Angeles schaut auf volle Kirchenbänke. Er fordert die Anwesenden auf, einander friedlich zuzuhören
"Tell your neighbor: I come to peacefully listen and listen some more. Tell your neighbor: I’ll do that. Now give God Praise ... "
90 Prozent der Gesichter vor ihm haben dunkle Haut. Fast alle erinnern sich angesichts der Bilder aus Ferguson noch gut an die letzten gewalttätigen Unruhen in L.A. Niemand hier wünscht sich solche Zustände zurück. Aber erst letzte Woche erschoss die Polizei in L.A. wieder einen Afroamerikaner. Ezell Ford, 25 Jahre alt, war unbewaffnet. Es geschah nur ein paar Blocks entfernt von der Kirche. Die Luft im Saal ist zum Schneiden. Niemand hier traut der Polizei.
"Von der Polizei nur Lügen"
Diantha Black, 60 Jahre alt, orange-brauner Hosenanzug, graue Locken zu dünnen Zöpfen geflochten.
"Am 4. Juli 2006 wurde mein Sohn auch von Polizisten erschossen. Es tut weh, wenn dein Kind ermordet wurde und du von der Polizei nur Lügen hörst. Es tut weh."
Christopher Lewis, ein Mann mit breiten Schulternund offenem Lächeln, der viele in der Kirche mit Handschlag begrüßt, sagt: Die Polizei demütigt schwarze Männer, dort, wo sie sich eigentlich wohl fühlen sollten - zu Hause in ihrem Viertel:
"Wenn ich hier spazieren gehe, fährt die Polizei langsam vorbei. Sie schauen, als würde ich etwas Verbotenes tun. Aber ich lebe hier! Wie können sie es wagen? Ich habe Angst, auf meiner Veranda zu stehen, weil sie mich schief anschauen – als wäre das illegal."
"Ohne jeden Grund von der Polizei angehalten"
Brianna Walter und Andrea Walker sind beide 21 und studieren. Sie fürchten um ihre männlichen Verwandten und Freunde, wenn sie von der Polizeibrutalität gegen Schwarze hören.
"Ich habe einen jüngeren Bruder und Angst, er ist der nächste. Er ist erst 14 aber eins achtzig und muskulös. Er wurde öfter von der Polizei ohne jeden Grund angehalten."
"Gerechtigkeit bedeutet für mich, dass sie uns die Namen der Polizisten geben, die Ezell erschossen haben, dass sie immer Kameras tragen und anfangen tatsächlich uns zu beschützen und nicht nur sich selbst."
Polizeichef Beck: "Ich will auch, dass die Wahrheit ans Licht kommt"
"Thank you for being here. The loss of any human life is tragic. It’s doubly tragic ..."
Als der Polizeichef von Los Angeles ans Mikrofon tritt, blickt er in Gesichter voller Skepsis. Charlie Beck spricht den Angehörigen von Ezell Ford sein Beileid aus. Autopsie-Ergebnisse und Namen der Polizisten, die geschossen haben, sollen bald veröffentlicht werden, verspricht er. Eine unabhängige Untersuchung werde aufklären, wie es zu den tödlichen Schüssen kam. Die Wahrheit, so der Polizeichef, wird ans Licht kommen.
"I want exactly what you want. And that is the truth. The truth of what happened to come out."
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Eine Wand mit Nachrichten für die Familie des getöteten Afroamerikaners Ezell Ford in Los Angeles© Kerstin Zilm
Das reicht den Anwesenden nicht. Mehr als zwanzig stehen auf, um ihrem Ärger Luft zu machen. Sie werfen der Polizei vor, junge schwarze Männer grundlos zu belästigen, weiße Studenten in Partyhäusern aber in Ruhe zu lassen, weil sie aussehen wie ihre Kinder.
„This gentleman was not ..."
Gelächter über die Worte des Polizeichefs
Sie erinnern daran, dass Ezell Ford niemanden belästigt hat, als die Polizei ihn stoppte und fordern den Verstand zu benutzen, nicht Pistolen. Sie erzählen von Demütigungen und Belästigungen, werfen der Polizei Rassismus, Lügen und Brutalität vor, fordern Aufklärung, Transparenz und die Verurteilungen der schuldigen Beamten.
Das Gesicht immer bleicher, Schweißtropfen auf der Stirn und Erschöpfung in der Stimme, versucht Polizeichef Beck die Gemüter zu beruhigen. Seine immer gleiche Botschaft löst erst Kopfschütteln und Frust, später Gelächter aus:
"Wir haben keine Antworten. Die Untersuchungen werden Ergebnisse zeigen. Ich werde keine Halbwahrheiten oder Gerüchte verbreiten. Alle Fakten müssen bekannt sein, bevor wir sie veröffentlichen."
"Es wird nicht ruhig bleiben"
Nach fast drei Stunden ist das Treffen vorbei und die Kirche halb leer. Diantha Black, deren Sohn vor acht Jahren ebenfalls von Polizisten erschossen wurde, zeigt Größe: der Polizeichef verdient Respekt dafür, dass er sich den Fragen stellt, meint sie. Seine Antworten haben sie allerdings nicht befriedigt:
"Wenn wir einen unschuldigen Menschen umbringen, kommen wir für immer ins Gefängnis. Warum nicht die Polizisten? Ich meine das ernst."
Die beiden Studentinnen Brianna und Andrea sind unzufrieden. So geht es nicht weiter, findet Andrea und stemmt ihre Fäuste in die Hüften.
"Es wird nicht ewig ruhig bleiben. Es heißt Demonstrationen und Gewalt sind schlecht. Aber wir haben es jetzt lange friedlich versucht und werden noch immer getötet. Es wird eine Revolution geben!"
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