Politik in der Coronakrise

Die Debatte über Einschnitte in demokratische Rechte kommt noch

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt zu einer Pressekonferenz.
Die Bundeskanzlerin hält jetzt mehr Reden als in den Vorjahren ihrer Amtszeit. © picture-alliance/AP Pool/Markus Schreiber
Bettina Gaus im Gespräch mit Axel Flemming  · 11.04.2020
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Mit dem Kurs der Bundesregierung zeigt sich die taz-Journalistin Bettina Gaus derzeit zufrieden. Sie glaubt aber, dass die Rolle der Opposition in Zukunft wieder wachsen wird. Die AfD jedoch habe sich mit ihrer pauschalen Politikerschelte verkalkuliert.
In der Coronakrise stößt die Bundesregierung mit ihrer Politik in der Bevölkerung auf große Zustimmung. Die Oppositionsparteien bleiben dagegen wenig sichtbar. Unser Studiogast, die taz-Journalistin Bettina Gaus, erinnert deshalb an den Satz: "Krisen sind Stunden der Exekutive." Aber das sei eine Momentaufnahme und es werde erst am Schluss abgerechnet.
Die taz-Journalistin Bettina Gaus
Die taz-Journalistin Bettina Gaus glaubt, dass die Opposition wieder eine wichtigere Rolle spielen wird. © picture-alliance / Geisler-Fotopress / Christoph Hardt
Sie finde alles in allem den Kurs der Bundesregierung und der Landesregierungen – mit kleinen Abstrichen – vernünftig, vor allem im Vergleich zu anderen Ländern. "Aber natürlich werden Fehler gemacht", so Gaus. "Natürlich wird es darüber auch eine Diskussion geben, wenn die akute Phase vorbei ist." Dann werde auch die Opposition wieder eine größere Rolle spielen.

Die AfD wird gerade widerlegt

Allerdings halte sie es für möglich, dass die Rechtspopulisten der AfD langfristig Schaden nehmen könnten. Sie hätten derzeit keine Linie in der Coronakrise und würden außerdem darin widerlegt, dass Politiker angeblich nichts täten. "Es wird im Moment so richtig deutlich, wie kompliziert und arbeitsreich Politik insgesamt ist", sagt Gaus.
Die Journalistin verteidigte die Partei "Die Linke" gegen den Vorwurf, sie versuche im Nachhinein Recht zu haben mit ihrem Vorwurf, es werde Sozialabbau betrieben. Die Partei habe immer soziale Verbesserungen angemahnt. Bei dem gegenwärtigen Rettungspaket gebe es durchaus Punkte, bei denen bestimmte Gruppen zu wenig berücksichtigt würden. "Allerdings muss man auch zugeben, es wurde nachgebessert." Sie habe sich zunächst gefragt, wie jemand aus dem Niedriglohnsektor beim Kurzarbeitergeld mit 65 Prozent seines Einkommens überleben könne. Aber es gebe weiter Gruppen von Menschen, für die es schwierig bleibe.

Lob für Merkels Nüchternheit

Zu den Auftritten der Bundeskanzlerin sagte Gaus, dass deren Nüchternheit in diesen Tagen genau die richtige Form sei. "Ich bin sehr dankbar, dass sie sich nicht in salbungsvollen Ansprachen ans Volk ergeht." Dagegen seien ihr die Reden von Bundespräsident Franck-Walter Steinmeier zu salbungsvoll. "Davon hebt sich Angela Merkel wohltuend ab."
Die Kanzlerin mache deutlich, dass die derzeitigen Grundrechtseinschränkungen auch ein Eingriff in demokratische Rechte seien. "Sie macht den Punkt Demokratie stark und das finde ich sehr angenehm", sagt Gaus. "Ich hoffe, dass das auch so bleibt, dass man nicht alles obrigkeitsstaatlich brav und ergeben abnickt, was von oben kommt, sondern das man jeweils ganz genau guckt, was finden wir vernünftig, was finden wir erträglich und dass darüber auch eine Diskussion entbrennt." Diese Debatte werde bestimmt heftiger werden, umso länger der Zustand anhalte.
(gem)

Bettina Gaus ist politische Korrespondentin der "tageszeitung" (taz) in Berlin, von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung. Sie absolvierte die Deutsche Journalistenschule in München und war danach 1983 bis 1989 Politikredakteurin beim deutschsprachigen Programm der Deutschen Welle. Von 1989 bis 1996 berichtete sie als Korrespondentin in Nairobi für ARD-Sender und Nachrichtenagenturen über Afrika.

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