Pörksen und Schulz von Thun: "Die Kunst des Miteinander-Redens"

Es darf auch härter diskutiert werden

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Zu sehen ist das Cover des "Die Kunst des Miteinander-Redens" von Buchs Bernhard Pörksen und Friedemann Schulz von Thun.
"Erkenne dein Dilemma!" - heißt eine Empfehlung des Gesprächsbands "Die Kunst des Miteinander-Redens". © Hanser Verlag / Deutschlandradio
Von Sieglinde Geisel · 27.02.2020
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Der Gesprächsband „Die Kunst des Miteinander-Redens“ von Bernhard Pörksen und Friedemann Schulz von Thun bietet keine einfachen Lösungen. Vielmehr geht es um Differenzierungen - und um die Unterscheidung von Mensch und Meinung.
Zwei Wissenschaftler reden miteinander über das Miteinander-Reden. Das Buch soll "die Illustration eines Ideals" sein, so Bernhard Pörksen in seinem Vorwort. Der Gesprächsband führt demnach vor, was er fordert. In der Tat kann man dem Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen und dem Kommunikationspsychologen Friedemann Schulz von Thun dabei zuschauen, wie sie im Dialog eine "Wahrheit zu zweit" entwickeln.

Die Unterscheidung zwischen Mensch und Meinung

Bei der Kommunikation habe man es nicht mit Problemen zu tun, die zu lösen sind, sondern mit Dilemmata, durch die man sich immer wieder neu hindurchnavigieren muss, schreibt Pörksen zum Auftakt des Bandes. Im Gespräch mit jemandem, dessen Haltung man grundsätzlich ablehnt, besteht das Dilemma in der Unterscheidung zwischen dem Menschen und seiner Meinung.
In dem Buch kommen viele Themen zur Sprache: Die "Empörungsdemokratie" und die Gefahren der leichten Skandalisierung ebenso wie der Umgang mit Verschwörungstheoretikern und die Diskursverzerrung, die entsteht, wenn belegte Fakten als bloße Meinungen gelten. Doch im Zentrum steht die Frage, ob und wie man "mit Rechten reden" soll.

Kommunikative Rollenspiele

Eine gewisse Redundanz lässt sich dem Gesprächsband nicht absprechen, schließlich ist die Unterscheidung zwischen Mensch und Meinung keineswegs neu. Doch lohnt sich die Lektüre: In perfekt ausgearbeiteten fiktiven Rollenspielen gelingt es den beiden Gesprächspartnern, die Mechanismen eskalierender Gespräche so aufzuzeigen, dass man die Situation spontan auf die eigene Erfahrung überträgt, sei es am Familientisch oder in Talkshows.
Bei der Analyse kommen Modelle wie Schulz von Thuns Kommunikationsquadrat zur Anwendung: Anhand der Unterscheidung zwischen Sachebene, Beziehungsaussage, Selbstdarstellung und Appell lassen sich etwa Phänomene wie Donald Trumps "Skandalimmunität" (Pörksen) einleuchtend erklären: Wenn nur noch die Beziehungsbotschaft gehört wird – "Ihr seid verraten und verkauft worden, aber ich bin jetzt auf eurer Seite!" – wird es völlig irrelevant, ob die Sachaussage zutrifft.

Zwischen Achtung und Ächtung

Im Umgang mit Andersdenkenden empfehlen die beiden Autoren einerseits eine Balance von Empathie und Konfrontation beziehungsweise von "Achtung und Ächtung" - eine von vielen treffend zugespitzten Wendungen. Andererseits sind sie sich darin einig, dass nicht unter allen Umständen ein Gespräch möglich ist.
"Man muss in einer Zeit, in der sich die Grenzen des Sagbaren so rasant verschieben, härter diskutieren, klarer die roten Linien einer Debatte definieren", so Pörksen. Er kritisiert auch die Betulichkeit "eines therapieerfahrenen und über alle Maßen sensiblen Milieus", das der hemmungslosen Aggression der Gegenseite oft nicht gewachsen sei.
Einfache Lösungen haben die beiden Gesprächspartner nicht anzubieten, ihnen geht es um Differenzierung. "Dilemmabewusste Strategieentwicklung" lautet die leicht ironische Empfehlung von Schulz von Thun: "Analysiere den Kontext! Erkenne dein Dilemma! Begreife das Risiko! Kalkuliere den Preis!"

Bernhard Pörksen und Friedemann Schulz von Thun: "Die Kunst des Miteinander-Redens"
Hanser Verlag, München 2020
224 Seiten, 20 Euro

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