Podium für Nachwuchsdramatiker

Von Volker Trauth · 13.05.2009
Der Stückemarkt beim Berliner Theatertreffen bietet unbekannten Theaterautoren nicht nur die Möglichkeit, eigene Stücke einem großen Publikum vorzustellen. Die ausgewählten Werke werden hier auch teilweise szenisch dargestellt und lassen so erahnen, welche Wirkung sie auf der Bühne haben. Gespielt wurden Oliver Klucks "Das Prinzip Meese" und Nis-Momme Stockmanns "Der Mann, der die Welt aß".
Der Mai ist der Monat der Stückemärkte und Autorentage. Vier solcher Förderveranstaltungen für neue nationale und internationale Dramatik wird es in diesem Monat geben. Als beim Heidelberger Stückemarkt die Preise vergeben wurden, hatte der Berliner gerade mit der Vorstellung der von einer unabhängigen Jury ausgewählten Wettbewerbsbeiträge begonnen. Das Besondere dieser Berliner Variante ist die organisatorische und inhaltliche Verknüpfung mit dem Berliner Theatertreffen. Die Schauspieler, Regisseure und Dramaturgen der gastierenden Theater sind anwesend, Arbeitspartnerschaften können sich ergeben. Einige Theater sind direkt in die Veranstaltung einbezogen.

Das Berliner Maxim-Gorki-Theater zeigte in diesen Tagen Inszenierungen der Preisträgerstücke der vergangenen Jahre, das Deutschlandradio stellte im Vorgriff auf seine spätere Sendepremiere die Hörspielfassung von Medwedews Theaterstück "Die Friseuse" vor, eines Stücks das unter den Wettbewerbsbeiträgen des Vorjahres zu finden war.

Kontinuität zeichnet sich ab: das in diesem Jahr mit dem Förderpreis ausgezeichnete Stück von Oliver Kluck "Das Prinzip Meese" wird in der kommenden Spielzeit am Maxim-Gorki-Theater inszeniert werden, das Deutschlandradio wird Davide Carnevalis' Stück über die Menschheitsgeißel Alzheimer mit dem seltsamen Titel "Variationen über das Kraepelin-Modell" als Hörspiel produzieren.

Der Titel von Oliver Klucks Stück ist irreführend. Es geht nicht um die künstlerischen Hervorbringungen des Künstlerberserkers Jonathan Meese - eher um sein fast irrationales Unbehagen gegenüber der Welt, die er in wortreichen Proklamationen herausschreit. Der Autor Kluck hat in einem seinem Stück zugeordneten Essay davon gesprochen, Meese habe ihn dazu angeregt, seine "eigene Verwirrung" über die Welt zu finden und auszudrücken.

Das Stück besteht aus bizarren Textflächen. Auf den ersten Blick sind keine konkreten Figuren in konkreten Situationen zu entdecken. Beim näheren Hinsehen lässt sich ein erzählendes Ich, bzw. ein vierfaches erzählendes Ich erkennen. Da schreit einer seine Wut heraus: auf die Glücksverheißungen und Anleitungen zum Glücklichwerden, die die Gesellschaft den jungen Menschen anzubieten hat, über seelenlose Lehrer, Dozenten und Angestellte von Arbeitsämtern, über die Flut von notwendigen Antragstellungen, die soziale Ungerechtigkeit und ein immer menschenverachtendes Fernsehprogramm.

Der Text aber verliert sich nicht in rebellischem Reden, Selbstironie wird erkennbar. So wenn sich der Icherzähler über eigene illusionäre Lebensentwürfe lustig macht wie in der Geschichte vom Dichter Salem, der nie vor 13 Uhr aufstehen will aber die Segnungen des Promi-Lebens genießen will.

Die Regisseurin Claudia Bauer hat diesen Text mit bekannten Berliner Schauspielern wir Robert Beyer, Astrid Meyerfeld und Sandra Hüller auf die Bühne gebracht. Ihr ist es gelungen, die Spiellust und Fabulierlust bei den Schauspielern und die Lust zum gedanklichen Mitspiel bei den Zuschauern zu wecken. Alles läuft in einem irrwitzigen Tempo ab, der Text läuft als Projektion an den Wänden ab und wird mit halsbrecherischer Zungenfertigkeit von den Darstellern gelesen bzw. skizzenhaft angespielt.

Ein weiterer Preis, der mit einem Stückauftrag fürs Berufstheater verbunden ist, ging an das Stück von Nis-Momme Stockmann mit dem seltsamen Titel "Der Mann der die Welt aß". Dieses Stück steht für viele andere Texte. Es geht um die psychischen und seelischen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit und sozialem Absturz auf den Einzelnen und dessen Familie. Die 40-jährige Hauptfigur, im Stück nur "der Sohn" genannt, verliert seinen Arbeitsplatz und schlägt hart auf den Boden der Realität auf. Seine Ehe wird geschieden, er kann keine Alimente mehr bezahlen und sein Vater fällt unübersehbar der Altersdemenz anheim. Da der Autor seine Figuren liebt, ihnen in jedem Moment Gerechtigkeit widerfahren lässt, ist von diesem Stück beim Zuschauer eine starke emotionale Berührung zu erwarten.

Berliner Stückemarkt

Oliver Kluck (Berlin, Deutschland):
Das Prinzip Meese
für alle die, die die Wasserfarben auch im Dunkeln sehen

Szenische Einrichtung: Claudia Bauer
Dramaturgie: Jens Hillje
Mit: Robert Beyer, Sandra Hüller, Astrid Meyerfeldt, Heide Simon und Ingo Günther (DJ)

Nis-Momme Stockmann (Berlin, Deutschland):
Der Mann der die Welt aß

Szenische Einrichtung: Roger Vontobel
Dramaturgie: Eva-Maria Voigtländer
Nis-Momme Stockmann: "Der Mann der die Welt aß“, Stückemarkt 2009
Nis-Momme Stockmann: "Der Mann der die Welt aß“, Stückemarkt 2009© privat
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